Seelenflüstern (German Edition)
meine Uniformbluse.
»Die Wunden sind komplett verheilt. Ich muss die Fäden ziehen, bevor du dich wund kratzt. Wenn sie draußen sind, juckt es gleich viel weniger.«
»Willst du das hier im Auto machen?«
»Wär’s dir auf der Motorhaube lieber?«
»Nein.«
Spook fing plötzlich an zu knurren. Mit gesträubtem Nackenfell stand sie auf.
Gleichzeitig bekam ich einen furchtbaren Würgereiz. Mir wurde schlecht. »Riechst du das, Alden? Diesen ekelhaften Mief? Es riecht nach … Tod.« Der Gestank schien von hinten zu kommen, doch der Rücksitz war leer. »Wer ist da? Was willst du?«
»Willkommen zurück, meine Geliebte.« Nur der Hauch eines Flüsterns. Die Worte waren kaum zu verstehen.
Dafür war der Gestank nun so stark, dass ich glaubte, er würde mir die Nase verätzen. Instinktiv hielt ich den Atem an. Es roch nach verrottetem Fleisch. Alden saß ganz still und ließ mich nicht aus den Augen. Irgendwann musste ich wieder atmen, doch der Gestank war absolut unerträglich. Ich schaffte es gerade noch, die Autotür aufzureißen, dann kam mir das Frühstück hoch.
Blitzschnell war Alden bei mir und half mir aus dem Wagen. Spook sprang auf den Rücksitz und bellte wie verrückt. Alden packte sie am Nackenfell und stellte sie neben mich. »Schluss jetzt, Spook. Sonst tut er dir noch was. Aus.«
Die kleine Hündin hörte auf zu bellen.
Ich dagegen fing schon wieder an zu würgen. Alden hielt mir das Haar im Nacken zusammen und rieb mir die Schultern. Nachdem der Rest meines Mageninhaltes schließlich auch noch auf den Asphalt geklatscht war, brachte er mich und Spook vom Auto weg. Die Magenkrämpfe waren so schlimm, dass ich nicht aufrecht stehen konnte. Die Hände auf die Knie gestützt, beugte ich mich vornüber. »Entschuldige bitte, Alden. Ich weiß gar nicht, warum das passiert ist. Was war das denn für ein Gestank?«
»Das war ein Aggrot, Lilian. Manchmal terrorisieren sie Leute mit üblen Gerüchen.«
»Das ist ihm gelungen. Hast du das auch gerochen?«
»Nein. Wächter sind dagegen immun.« Er klemmte sich Spook unter den Arm.
»Du bist zu beneiden.« Ich richtete mich auf und atmete ein paarmal tief durch. Das tat gut. »Können normale Menschen so was riechen?«
»Manchmal. Es gibt Leute, die auf übersinnliche Erscheinungen empfindlicher reagieren als andere. Kinder zum Beispiel. Aber du als Seelenflüsterin nimmst sie auf jeden Fall viel stärker wahr als gewöhnliche Menschen. Ist der Geruch noch da?«
»Nein. Jetzt ist er weg, glaube ich.« Ich sah an mir hinunter. Igitt. Meine Schulbluse hatte etwas abbekommen. »Zum Glück habe ich Klamotten zum Wechseln dabei.«
»In deinem Rucksack?« Alden gab mir Spook. Ich nickte. Zusammen gingen wir zum Auto zurück. Er nahm meinen Rucksack vom Rücksitz. »Wir haben noch Glück gehabt«, sagte er. »Es kommt vor, dass sie komplett ausrasten und alles zerlegen. Aber meinem Auto ist nichts passiert.«
Er nahm mir Spook ab, dann gingen wir zur Toilette der Tankstelle. Es gab nur einen kleinen Raum mit einer Kabine samt Wickeltisch. Alden setzte Spook auf den Boden, gab ihr das Kommando, sich nicht von der Stelle zu rühren, und ging dann hinaus, um den Wagen auf den Parkplatz zu fahren. Ich sollte beim Umziehen die Klotür verriegeln und sie nur wieder aufmachen, wenn ich ganz sicher war, dass draußen niemand lauerte.
Erst einmal spülte ich mir den Mund aus. Erleichtert stellte ich fest, dass meine Kleider nicht allzu viel abbekommen hatten. Ich zog sie aus und schlüpfte in eine beigefarbene Hose und einen braunen Pulli. Das Outfit hatte ich für unser Treffen mit dem RF-Vertreter ausgesucht, weil ich hoffte, dass ich darin erwachsen und professionell wirken würde.
Jemand klopfte dreimal kurz an und gleich darauf noch dreimal. Ich entriegelte die Tür. Mit Augen wie graue Gewitterwolken starrte Alden mich an.
»Was ist?«
»Du hast überhaupt nicht gecheckt, wer draußen steht«, schimpfte er.
»Sorry. An so was muss ich mich erst gewöhnen. Gibt es einen Klopf-Code?«
Er stellte seine Arzttasche und eine braune Einkaufstüte auf den Wickeltisch. »Nein. Ein Aggrot könnte mithören, wenn wir einen Code absprechen. Du musst Fragen stellen, die nur ich beantworten kann.«
»Können die Geister denn nicht durch Wände gehen?«
»Doch, schon. Aber wenn sie dich verletzen oder sogar töten wollen, fahren sie normalerweise in eine andere Person und benutzen sie als Werkzeug. Deshalb haben Wächter auch eine Nahkampfausbildung. Wenn die
Weitere Kostenlose Bücher