Seelenflüstern (German Edition)
herum. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du es schon wieder so machst!«
Kopfschüttelnd sah ich sie an. »Sorry, Maddi. Aber ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Seit Jahrhunderten spielst du jetzt mit ihm. Ich dachte, dass du diesmal vielleicht anders bist. Dein Wunsch hat sich doch erfüllt. Merkst du das nicht? Du hast bekommen, was du wolltest, und du machst wieder alles kaputt.«
Ich zupfte an meinem Pulli herum. »Welcher Wunsch denn?«
»Du erinnerst dich anscheinend wirklich an gar nichts.« Maddi streckte die Hand aus. »Gib mir deine Hand. Ich zeige dir was.«
Ich reichte sie ihr.
»Raus«, sagte Maddi.
Weil ich wusste, was jetzt kommen würde, machte ich mich auf den Schmerz gefasst. Maddis Seele platzte geradezu in meinen Körper.
Du kriegst jetzt gleich eine von meinen Erinnerungen, sagte Maddi. Ich könnte dir das alles auch erzählen, aber wenn du es selbst siehst, wirkt es vielleicht besser.
Bilder von Maddi und Rose auf einem grünen Samtsofa in einem Zimmer mit dunkler Holztäfelung erschienen in meinem Kopf. In der Ecke stand ein Klavier. Die Wände waren dicht an dicht mit Gemälden vollgehängt und überall standen gigantische Palmen in Töpfen. In jeder Ritze und auf jeder verfügbaren Fläche entdeckte ich komplizierte, aus Papier gefaltete Figuren. Beide Frauen trugen lange weiße Leinenkleider. Rose hatte sich das Haar locker hochgesteckt, Maddi trug einen kurzen Bob. Sie war weniger muskulös als im jetzigen Zyklus. Rose stickte. Sticken. Oje . Dafür fehlte mir die Geduld. Noch ein Grund, Rose unsympathisch zu finden.
»Wenn ein Mann wie Alden auf die Art an mir interessiert wäre«, sagte Maddi, »müsste er mich nicht zweimal fragen.«
Rose legte ihre Handarbeit beiseite, ging zum Klavier und ließ die Finger über die Tasten gleiten. »Ach, Maude. Du verstehst das einfach nicht. So ist das nicht zwischen uns. Es war nie so, und es wird auch nie so sein.«
»Und warum nicht?«
Rose spielte mit dem schwarzen Anhänger ihrer Halskette. »Das wäre nicht klug.«
Maddi sah sie verständnislos an. »Nicht klug oder nicht praktisch , Rose? Für dich ist es so doch einfacher. Unkomplizierter. Wenn keiner sich zu weit vorwagt, kann sich auch niemand die Finger verbrennen. Dabei liebt Alden dich seit Ewigkeiten.«
Roses Augen füllten sich mit Tränen. »Ich ihn doch auch, Maude. Aber wir haben eine so lange gemeinsame Geschichte. Wir wissen so viel voneinander, wir können jetzt nicht einfach alles anders machen als sonst. Das wäre unser Ende.« Dass Rose nun tatsächlich weinte, überraschte mich. Anscheinend hatte sie doch ein Herz. »Ach, Maude. Ich habe alles falsch gemacht. Ich wünschte, ich könnte noch mal ganz von vorn anfangen. Ohne den ganzen Ballast aus den früheren Leben. Am liebsten würde ich alles vergessen und einfach ein ganz neues Leben beginnen, in dem ich Alden wie zum ersten Mal begegne. Aber mit offenen Augen und mit zärtlichem Blick. Ich will ihn so lieben, wie er es verdient. Vielleicht gehe ich zu den Ältesten und frage sie, ob so etwas möglich ist.«
Die Erinnerung endete.
Ich gehe jetzt raus, Rose, sagte Maddi.
»Autsch«, stöhnte ich, als Maddis braune Augen wieder lebendig blitzten und sie nach Luft schnappte.
»Dein Wunsch hat sich erfüllt, Rose. Kapierst du das nicht? Anscheinend konntest du die alten Knochen vom Rat erweichen. Vielleicht haben sie deine Wiedergeburt vor allem deshalb so lange verzögert, damit du deine Erinnerung verlierst. Wer das eingefädelt hat, hat es heimlich getan, weil es nirgends auch nur die kleinste Notiz dazu gibt. Und glaub mir, der RF legt sonst über jeden und alles eine Akte an. Was genau dahintersteckt und warum es nun so gekommen ist, weiß ich nicht – aber das ist deine Chance. Als ich im Café gespürt habe, was deine Seele für Alden ausstrahlt, dachte ich, dass du den Gedächtnisverlust vielleicht nur vortäuschst, damit du einen Neuanfang machen kannst. Aber inzwischen bin ich sicher, dass du dich wirklich an nichts erinnerst. Jetzt hast du die Möglichkeit, es endlich einmal richtig zu machen.«
Ich verließ die Kabine und ging zum Waschbecken. »Sorry, Maddi – aber Alden ist derjenige, der meint, unsere Beziehung müsste rein geschäftlich bleiben.«
»Weil er genauso viel Angst hat wie du. Du bist die Seelenflüsterin. Du musst führen. Also, gib alles.« Damit ließ Maddi mich stehen.
Als ich zu den anderen zurückkam, hatten sie sich in den kleinen Speiseraum im Dachboden gesetzt.
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