Seelengesaenge
Danke. Trotzdem, ich möchte nicht wieder in eine solche Lage kommen.
– Das wirst du auch nicht. Ich denke, wir haben jetzt endgültig bewiesen, wer wir sind.
– Ja!
Er blickte seine Mannschaft fragend an. »Hat vielleicht jemand eine Ahnung, was aus unserem irren Passagier geworden ist?«
»Ich fürchte nein«, antwortete Aziz. »Ich hab’ mich im Hafen erkundigt, und ich habe herausgefunden, daß sie einen Charteragenten in ihre Dienste genommen hat. Danach – nichts mehr.«
Meyer legte sich vorsichtig auf seine Beschleunigungsliege.
Noch immer pulsierte leichter Kopfschmerz hinter seinen Augen. Allmählich fragte er sich, ob er vielleicht damit würde leben müssen. Der Arzt hatte gemeint, daß es höchstwahrscheinlich irgendwann nachlassen würde. »Auch gut«, sagte er. »Ich denke, die Mzu hatte recht, als sie meinte, wir wären besser dran, wenn wir nichts wüßten.«
»Theoretisch vielleicht«, sagte Cherri ärgerlich. »Unglücklicherweise waren wir es, die sie vor den Augen der ganzen Geheimdienstler aus Tranquility entführt haben. Wenn es stimmt, daß sie so gefährlich ist, dann stecken wir ganz schön tief im Dreck. Man wird uns suchen, und man wird uns Fragen stellen.«
»Das ist mir durchaus bewußt«, sagte Meyer. »Meine Güte, in meinem Alter noch von der ESA verfolgt zu werden!«
»Wir könnten auf geradem Weg zu ihnen fliegen«, schlug Haltam vor. »Wenn wir ehrlich sind, werden sie uns ja doch irgendwann schnappen. Und wenn wir uns stellen, dann könnte es beweisen, daß wir mit ihren wie auch immer gearteten Plänen nichts zu schaffen haben.«
Cherri schnaubte angewidert. »Ja, sicher. Wir werfen uns in die Arme der Königlichen Geheimpolizei! Das ist nicht dein Ernst! Ich habe Geschichten gehört … Wir alle kennen die Geschichten.«
»Zu wahr«, gestand Haltam. »Diese ESA ist ein übler Feind.«
»Was denkst du, Meyer?« fragte Aziz.
Meyer wollte nicht darüber nachdenken. Seine Nahrungsdepots waren im Krankenhaus perfekt ausbalanciert worden, während er sich in der Rehabilitationstherapie befunden hatte, doch er fühlte sich noch immer erbärmlich müde. Hätte doch jemand anderes die Last von seinen Schultern genommen – das war die Antwort! Oder zumindest eine passable Möglichkeit.
– Gute Idee! fand die Udat. – Sie war sehr nett.
»Es gibt da jemanden, der uns vielleicht helfen könnte«, wandte sich Meyer an seine Leute. »Falls sie überhaupt noch lebt. Ich habe sie seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, und sie war schon damals ziemlich alt.«
Cherri musterte ihn mit einem mißtrauischen Blick. »Sie?«
Meyer grinste. »Ja. Sie. Eine Lady namens Athene. Sie ist Edenitin.«
»Die Edeniten sind noch schlimmer als die verdammte ESA!« protestierte Haltam.
»Hör endlich auf mit deinen Vorurteilen. Die Edeniten sind vor allem eines: Sie sind aufrichtig. Und das ist eine ganze Menge mehr, als man über die ESA sagen kann. Außerdem ist die Kultur der Edeniten die einzige, die von der ESA nicht unterwandert werden kann.«
»Und du bist sicher, daß sie helfen wird?« fragte Cherri.
»Keine Versprechungen. Ich sage euch nur, daß sie uns helfen wird, wenn sie kann.« Er blickte seine Leute der Reihe nach an. »Hat vielleicht irgend jemand einen besseren Vorschlag?«
Niemand.
»In Ordnung. Cherri, bitte die Raumkontrolle um Starterlaubnis, ja? Wir waren lange genug hier.«
»Aye, Sir.«
– Und du, bereite eine Eintauchsequenz in das Solsystem vor.
– Selbstverständlich, sagte die Udat. Und fügte dann melancholisch hinzu: – Ich frage mich, ob die Oenone auch da ist, wenn wir ankommen?
– Wer weiß? Aber du hast recht, es wäre schön zu sehen, wie sie sich entwickelt hat.
– Ja. Wie du schon gesagt hast, es ist lange her.
Das erste Eintauchmanöver brachte sie zwölf Lichtjahre weit von Naroks Stern in Richtung Erde. Beim zweiten überwanden sie bereits fünfzehn. Erleichtert, daß der Blackhawk sich offensichtlich von der zurückliegenden Zerreißprobe erholt hatte, befahl Meyer das dritte Eintauchmanöver.
Der leere Raum verzerrte sich unter dem Einfluß des gewaltigen Feldes, das die Energiemusterzellen erzeugten. Die Udat glitt sauber in den Wurmloch-Zwischenraum, den die Musterzellen geöffnet hatten, und veränderte den Energiefluß in den Zellen in subtiler Weise, um die Kontinuität des Pseudogewebes aufrechtzuerhalten, das sich um die Hülle schmiegte. Distanz ohne physikalische Entfernung floß an dem Polypen vorbei.
– Meyer!
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