Seelengesaenge
stellte er fest, daß einige Cafés tatsächlich geöffnet hatten; übernommen von besessenen Inhabern, die eifrig dabei waren, jegliche moderne Einrichtung hinwegzuwünschen und sie durch ältere, traditionellere Dekors (oder, in zwei Fällen, retro-futuristische) zu ersetzen. Espressomaschinen dampften und zischten eifrig, der Geruch von frischgebackenem Brot wehte auf die Straße. Und dann entdeckte Moyo die Doughnut-Maschine. Sie stand im Schaufenster eines der Cafés, ein wunderbarer antiker Apparat aus stumpf glänzendem Metall mit einem Emailleschild des Herstellers auf der Vorderseite. Sie war gut zwei Meter lang, mit einem großen Trichter an einem Ende, der mit Teig gefüllt war. Rohe Doughnuts purzelten aus einem Stutzen auf ein kleines Metallgitterfließband, das in ein längliches heißes Ölbad führte, wo die Doughnuts in Fett schwimmend gebacken wurden, um sich auf der anderen Seite der Friteuse goldbraun gebacken wieder aus dem heißen Öl zu heben. Anschließend fielen sie auf ein Tablett mit Puderzucker. Der Duft, den die Maschine in der kühlen Morgenluft verströmte, war fast unwiderstehlich. Moyo blieb eine volle Minute mit der Nase am Fensterglas stehen, verzückt von der Parade der Doughnuts, die unter dem Summen und Klackern elektrischer Motoren und im Schein der türkisfarbenen Flammen unter dem siedenden Öl vorbeiglitten.
Moyo hätte im Traum nicht gedacht, daß es irgendwo in der Konföderation noch etwas so wunderbar Archaisches zu finden gab, so einfach und doch kunstvoll. Er schob die Tür des Ladens auf und trat ein.
Der (neue) Besitzer stand hinter der Theke, ein kahl werdender Mann mit einem Tuch um den Hals und einer blau-weißen Schürze vor dem Bauch. Er wischte die glänzende Oberfläche des Tresens mit einem Tuch. »Guten Morgen, Sir«, begrüßte er Moyo. »Was kann ich für Sie tun?«
Das ist einfach lächerlich, dachte Moyo. Wir sind beide tot, wir wurden durch irgendein mysteriöses Wunder wieder zum Leben erweckt, und er interessiert sich für nichts anderes als das, was ich zu essen möchte. Wir sollten viel eher versuchen, uns gegenseitig kennenzulernen, versuchen zu verstehen, was geschehen ist, was unsere Wiedergeburt für das Universum bedeutet. Dann jedoch spürte er die Angst, die in den Gedanken des Inhabers hochkochte, und die schrecklich empfindliche Natur des Mannes.
»Einen dieser wunderbaren Doughnuts selbstverständlich. Sie sehen köstlich aus. Haben Sie zufällig auch heiße Schokolade?«
Der Inhaber lächelte erleichtert. Schweißperlen rannen von seiner Stirn. »Jawohl, Sir.« Er machte sich an den Bechern und Tellern hinter dem Tresen zu schaffen.
»Was glauben Sie?« fragte Moyo. »Wird Annette Eklund erfolgreich sein?«
»Ich denke schon, Sir. Sie scheint zu wissen, was sie tut. Ich habe gehört, sie wäre von einem anderen Stern hierhergekommen. Eine sehr schlaue Lady.«
»Ja. Woher kommen Sie?«
»Aus Brügge, Sir. Aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert. Das war eine prächtige Stadt damals.«
»Bestimmt.«
Der Inhaber stellte einen Becher heißer Schokolade zusammen mit einem Doughnut auf den Tresen. Was jetzt? überlegte Moyo. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, mit welcher Währung ich bezahlen soll.
Die ganze Situation wurde von Sekunde zu Sekunde mehr und mehr surreal. »Ich schreibe es auf Ihren Deckel, Sir«, sagte der Inhaber.
»Danke sehr.« Moyo nahm Becher und Teller vom Tresen hoch und blickte sich um. Außer ihm befanden sich nur drei weitere Gäste im Café. Zwei davon ein junges Paar, das ganz ineinander versunken war. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?« fragte er den dritten Gast, eine Frau Ende zwanzig, die keinerlei Versuch gemacht hatte, ihr Äußeres mit irgendeinem Trugbild zu verändern. Ihr Kopf kam ruckhaft hoch, und Moyo bemerkte, daß ihre bleichen Wangen tränenverschmiert waren.
»Ich wollte gerade gehen«, murmelte sie.
»Bitte, bleiben Sie doch noch.« Er setzte sich ihr gegenüber. »Wir sollten miteinander reden. Ich habe seit Jahrhunderten mit keinem Menschen mehr gesprochen.«
Ihre Augen blickten in die leere Kaffeetasse. »Ich weiß.«
»Ich heiße Moyo.«
»Stephanie Ash.«
»Erfreut Sie kennenzulernen, Stephanie. Ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll. Ich habe Angst wegen dem, was mit mir geschehen ist, und zugleich bin ich in Hochstimmung.«
»Ich wurde ermordet«, flüsterte sie. »Er … er lachte sogar, als er es getan hat; jedesmal, wenn ich geschrien habe, lachte er noch lauter. Es
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