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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Anzug, der offenbar der Sozius der Kanzlei Niklas & Allewelt war. Die Frau mit den roten Haaren war hingegen nicht zu sehen, und ihm kamen einen
Augenblick lang Zweifel. Doch dann entdeckte er den Hund, der ein paar Stufen oberhalb auf den glatt polierten Holzdielen lag und schlief, und es durchzuckte ihn heiß. Er hatte recht gehabt. Schnell zog er sich vom Fenster zurück, damit die Sekretärin nicht auf ihn aufmerksam wurde, und wartete. Irgendwann musste sie kommen.
    Und dann, als sie tatsächlich kam, mochte er seinen Augen kaum trauen. Der letzte Beweis, für den Fall, dass es überhaupt noch Zweifel gegeben hätte, wurde ihm auf dem Silbertablett geliefert: Sie kam zusammen mit Gruber. Als er sah, wie sie aus seinem Auto ausstieg, noch einmal innehielt, weil er ihr etwas nachrief, und dann - mit Bedauern, wie es schien - den Kopf schüttelte, begann er zu zittern. Es war unglaublich, welch ein perfides Spiel sie mit ihm trieben.
    Wie hatte er nur jemals so naiv sein können zu glauben, es wäre vorbei? Er schüttelte erneut den Kopf, nein, das war falsch gedacht. Es wäre vorbei gewesen - wenn diese Frau nicht aufgetaucht wäre. Sie war es, die Gruber aus dem Gefängnis geholt hatte. Mit irgendwelchen spitzfindigen Tricks. Man kannte sie ja, diese Anwaltsspielchen. Er beobachtete sie genau, wie sie dastand und dem wegfahrenden Wagen nachsah. Prägte sich ihre Gestalt ein, ihre Größe und, das Auffallendste an ihr, ihre Haare. Dichte, etwas wirre Locken von einem ungewöhnlichen Rostrot, wahrscheinlich ihre Naturfarbe, nicht gefärbt. Sie war nicht besonders groß, schlank, aber nicht zu schlank, soweit man das unter dem Mantel, den sie trug, erahnen konnte.
    Sie blieb noch eine ganze Weile dort stehen, rauchte eine Zigarette. Als sie dann endlich hineinging, nur um unmittelbar darauf in Begleitung des großen dunkelhaarigen Mannes und ihres Hundes wieder herauszukommen, zitterte er bereits am ganzen Leib, diesmal aber vor Kälte. Er musste sich
bewegen, sonst würde er hier noch fest frieren. Er entschloss sich, den beiden zu folgen. Sie würde es gar nicht bemerken, denn er war sehr vorsichtig in solchen Dingen. Geübt. Und im Übrigen war sie in Begleitung, also unaufmerksam, nicht gefasst auf einen Verfolger. Er erlaubte sich ein kleines Lächeln, genoss einen Augenblick das Gefühl der Überlegenheit und heftete sich an ihre Fersen. Zu seiner Betrübnis gingen sie jedoch nicht weit. Ein Café über der Straße war ihr Ziel, und einen Augenblick blieb er unschlüssig stehen. Es war ein Uhr. Er hatte noch eine Stunde Zeit, bis er seinen Laden wieder aufschließen musste. Sollte er …? Durfte er …?

    Clara ließ sich auf den Stuhl plumpsen und strich sich mit einer energischen Geste ihre Haare aus dem Gesicht. »Ich habe Hunger wie ein Wolf«, seufzte sie und studierte die Tafel an der Wand über Willis Kopf, auf der die Tagesgerichte aufgezählt waren. Sie bestellte Vitello tonnato und einen Salat mit Artischocken und Ei und begann, Willi die ganze Geschichte mit Gruber zu erzählen.
    Willi pfiff leise durch die Zähne und schüttelte immer wieder den Kopf. »Sie haben ihn tatsächlich verhaftet? Sind die denn total bekloppt?«
    Clara hob die Schultern. »Es gibt weit und breit keinen anderen Verdächtigen. Nichts und niemand. Der Einzige, der meiner Meinung nach noch in Frage gekommen wäre, war Adolf Wimbacher, doch das hat sich, wie es aussieht, auch erledigt.«
    Sie unterbrach sich einen Augenblick, um einen Gast vorbeizulassen, der sich an den kleinen Einzeltisch neben sie setzte. Dann brachte Rita das Vitello tonnato und eine Lasagne für Willi, und beide sagten eine ganze Weile nichts.

    »Glaubst du denn, er war es?«, fragte Willi schließlich mit vollem Mund.
    Clara schüttelte den Kopf. »Kannst du dir vorstellen, dass Gruber seine Frau umbringt? Und dann noch dazu auf eine Art und Weise, dass man sofort auf ihn als Täter kommt?«
    Willi kratzte seinen Teller leer, was ein leise quietschendes Geräusch erzeugte. »Eigentlich nicht, aber ich kann mir so etwas bei niemandem vorstellen.«
    Das war der Punkt. Man konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass jemand, den man kannte, einen Menschen tötete. Und doch passierte es.
    »Nein«, sagte Clara entschieden. »Er war es nicht.« Und sie erzählte Willi von dem Morgenmantel und warum Gruber deshalb für sie nicht der Täter sein konnte.
    Der Mann neben ihr begann zu husten. Er bekam einen regelrechten Hustenanfall, und Clara wandte sich ihm

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