Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
nennen will – erfüllte. Diese Essenz ist der Grund, warum ein Mensch ohne Seele weiterexistieren kann, ohne zu verrotten.«
    »Und was passiert mit der Seele?«
    »Die wird in ein Glas gepackt und hervorgeholt, wann immer Bedarf besteht.«
    »Du meinst, wann immer sie gelenkt werden muss? Zum Beispiel als Shandraziel sie zu Rachel geschickt hat, um die Daten aus dem Computer zu stehlen?«
    Ich nickte.
    »Wenn die Seele aber wieder in den Schrank, oder wo immer ihr so etwas aufbewahrt, gestellt wird, ist der Mensch wieder Herr über seinen Körper?«
    »Mit der kleinen Einschränkung, dass es ihm nicht möglich ist, über die Dinge zu sprechen, die er gesagt oder getan hat, während er fremdbestimmt war.«
    »Aber man weiß, was man getan hat?«
    »Ja. Deshalb hat Amber die Stadt verlassen. Sie hatte Angst, dass die Schutzengel es herausfinden und sie bestrafen könnten.«
    Eine Weile sagte Jules nichts mehr. Sie konzentrierte sich auf den Verkehr und hatte den Blick auf die palmengesäumten Straßen gerichtet. Trotzdem konnte ich sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
    »Unsere Signaturen sind abgeschirmt, oder?«, fragte sie plötzlich, und als ich nickte, fuhr sie fort: »Wenn Shandraziel im Augenblick keine Verwendung für Amber hatte, und so muss es gewesen sein, denn warum hätte er sonst zulassen sollen, dass sie Seattle Hals über Kopf verlässt? Also warum hatte er dann vorhin die Kontrolle über sie? Wie konnte er wissen, dass wir dort sein würden?«
    Heilige Scheiße! Da war was dran!
    Meine Seite fühlte sich an, als hätte jemand mein Blut gegen flüssige Lava ausgetauscht. Der Schmerz vernebelte mir den Verstand und machte es mir schwer, meinen eigenen Gedanken zu folgen. Ich spürte, wie mein Körper seine Funktionen immer weiter zurückfuhr, um die dadurch gewonnene Energie in die Heilung fließen zu lassen. Ich wusste nicht, wie viel Zeit mir noch blieb, ehe ich in einenHeilschlaf fiel, hoffte aber, dass ich es noch bis zum Motel schaffen würde.
    Um den Schlaf zurückzudrängen, konzentrierte ich meine Gedanken wieder auf Shandraziel. Er hatte gewusst, dass wir in Orlando waren. Natürlich wusste er auch, dass Amber ebenfalls hier war. Aber abgesehen davon, dass er nicht ahnen konnte, dass wir wegen Amber hier waren, wie hatte er überhaupt von unserem Ausflug nach Florida erfahren? Wie hatte er uns finden und uns im Hotel auflauern können?

26
    Es fiel Jules schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Dass sie nun auch noch in einem Stau auf der I-4 gelandet waren, machte die Sache nicht besser. Bereits seit drei Ausfahrten rollten sie im Schritttempo voran, und je länger der Stau andauerte, desto härter stellte er Jules’ Geduld auf die Probe. Ihre Gedanken waren mit dem beschäftigt, was Kyriel ihr über die Seelen erzählt hatte. Je mehr sie darüber hörte, desto mehr Entsetzen verspürte sie angesichts der Tatsache, dass sie um ein Haar ihre eigene Seele verkauft hätte.
    »Es gibt also zwei Arten, eine Seele zu benutzen«, fasste sie noch einmal zusammen in der Hoffnung, es besser zu verstehen. »Sie zu lenken oder sie sich einzuverleiben, wie Shandraziel es eben mit der Seele dieser armen Frau gemacht hat.«
    Kyriel nickte. »Letztere Variante entzieht der Seele ihre Lebenskraft, ihr Licht wird schwächer und schwächer, bis ihr Glanz schließlich erlischt. Das war es dann.«
    »Seelenglanz«, wiederholte Jules leise.
    Bisher hatte sie nicht einmal gewusst, ob die Seele wirklich existierte und falls ja, wie sie aussehen könnte, oder ob sie womöglich einfach unsichtbar war. Die Vorstellung eines strahlenden Lichtes gefiel ihr.
    Weniger gut gefiel ihr Kyriel. Jedes Mal, wenn sie ihren Blick von der Straße auf ihn richtete, schien er blasser geworden zu sein. Er tat, als würde ihm die Verletzung keine Schwierigkeiten bereiten, und wenn sie sich erkundigte, ob er bis zum Motel durchhalten würde, winkte er ab, als wäre es nur ein Kratzer. Doch das war alles andere als ein Kratzer. Sie hatte das Blut gesehen, das sein T-Shirt tränkte und sich immer weiter ausbreitete. Sobald sie im Motel waren, würde sie sich um die Wunde kümmern – und wenn er ihr tausendmal versicherte, dass das nicht nötig sei, weil er ja ein Engel war und die Wunde deswegen sowieso immer und sofort von selbst heilen würde. Hätte dann nicht längst etwas passieren müssen? Auch darauf hatte Kyriel eine Antwort: Er musste sich hinlegen und ausruhen, um die Selbstheilungskräfte seines Körpers zu

Weitere Kostenlose Bücher