Seelenglanz
die Ränder von der Hitze versengt, bezweifelte sie jedoch, dass jemals irgendetwas wieder gut werden konnte.
»Kyriel«, flüsterte sie und berührte ihn sanft an der schweißnassen Wange.
Flatternd hoben sich seine Augenlider. Sein Blick war unstet und die Pupillen waren von einem milchigen Schleier überzogen. Es dauerte einen Moment, bis er sie zu erkennen schien. Dann jedoch richtete er sich ruckartig auf, als könnte er nicht ertragen, dass sie seine Schwäche sah. Seine Bauchmuskeln zuckten und sie sah die Anspannung in seinem Körper.
Akashiel setzte sein Schwert an den metallenen Armfesseln an und durchtrennte sie. Nicht länger von den Ketten aufrecht gehalten, fiel Kyriel auf die Knie. Sofort versuchte er sich auf die Beine zu stemmen, schaffte es jedoch nicht, aufzustehen. Akashiel wollte ihm helfen, doch Jules hielt ihn davon ab.
»Lass mich das machen.«
»Ich bin stärker als du«, widersprach Akashiel.
»Und du hast auch das Schwert – falls jemand kommt.«
Akashiel gab sich geschlagen und Jules ging neben Kyriel in die Knie. War der Anblick seiner Schultern schon schlimm gewesen, so war sein Rücken eine einzige Ruine. Asche mischte sich mit verkrustetem Blut, wo die Stümpfe seiner Flügel wie kleine Höcker aus seinem Rücken ragten. Die Haut war verkohlt, das Fleisch lag wund und offen da. Er musste entsetzliche Schmerzen haben, und trotzdem versuchte er weiter, auf die Beine zu kommen.
Jules legte ihm eine Hand auf den Arm, an eine Stelle, von der sie hoffte, dass ihre Berührung dort keine weiteren Schmerzen verursachen würde. »Lass dir Zeit. Komm erst einmal wieder zu Atem.« Irgendwie schaffte sie es, vernünftig zu klingen, obwohl die Gedanken in ihrem Kopf wild durcheinanderwirbelten und sie sich nur wünschte, sich in seinen Armen zu vergraben und so lange zu heulen, bis alles von selbst wieder gut werden würde.
»Du bist verrückt«, keuchte er. »Weißt du das?«
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich war wohl zu lange mit dir zusammen. Kyriel, du brauchst einen Arzt.«
Er schüttelte den Kopf. »Das hier ist nicht einmal halb so schlimm wie Ambers Dolch«, presste er hervor. Es fiel Jules schwer, das zu glauben, und wie üblich schien Kyriel ihre Gedanken zu erraten. »Ich brauche nur ein paar Minuten, sonst nichts.«
»Bist du sicher?«
»Todsicher.«
Sie warf einen Hilfe suchenden Blick zu Akashiel, der am Zugang zur Kammer Posten bezogen hatte. »Nachdem er der Lava nicht länger ausgesetzt ist, wird sein Körper schnell regenerieren«, versicherte er. »Es sieht schlimmer aus, als es ist. Dafür braucht er nicht einmal einen Heilschlaf.«
Tatsächlich begann die verbrannte Haut bereits abzublättern. Ascheflocken rieselten zu Boden, als würde man verbrannte Stellen von einem Toast kratzen. Darunter kam das rohe Fleisch zum Vorschein, doch schon nach wenigen Augenblicken sah Jules, wie sich neue Haut darüber zu bilden begann und sich quälend langsam über seinen Rücken und das versehrte Fleisch ausbreitete. Es konnten höchstens ein paar Minuten vergangen sein, Jules jedoch war es wie Stunden erschienen, bis Kyriel sich endlich aufrichtete, sein Rücken von frischer, rosiger Haut überzogen.
Er holte tief Luft, als versuchte er, mit dem Atem die Erinnerung an den Schmerz aus seinem Körper zu zwingen, dann stand er auf und zog Jules mit sich auf die Beine.
»Verschwinden wir«, sagte Akashiel.
Kyriel schüttelte den Kopf. »Du bringst Jules fort. Ich hole ihren Vertrag.«
Die bloße Vorstellung, sich sofort wieder von ihm zu trennen, ließ einen schmerzhaften Knoten in Jules’ Eingeweiden wachsen. »Wir gehen mit dir.«
»Auf keinen Fall!«
»Kyriel, sei kein Narr!«, fuhr Jules ihn an. »Vor drei Minuten konntest du kaum allein stehen. Erwarte nicht, dass ich dich jetzt losziehen und Held spielen lasse.«
»Ich spiele nicht. Abgesehen davon war ich noch nie ein Held. Ich kämpfe schmutzig, deshalb gewinne ich.« Mit einem kurzen Blick auf Jules fügte er hinzu: »Zumindest wenn ich nicht mit dem Leben von jemandem erpresst werde, der mir wichtig ist.«
Akashiel stöhnte theatralisch. »Nur weil du dich doch für die richtige Seite entschieden hast, musst du nicht gleich den Märtyrer raushängen lassen.«
»Ich hab dir schon mal gesagt …«
»Dass meine Witze nicht lustiger werden. Ich weiß. Sieht so aus, als hätte ich mich über die Zeit nicht verändert. Das kann man von dir nicht behaupten.«
Kyriel stöhnte. »Halt mir jetzt bloß keinen
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