Seelenglanz
erging sich in einem Gestammel über Luzifer, Seelen, Tod und Höllenqualen, bis Akashiel es aufgab, nachzufragen.
Während sie noch sprach, materialisierte er sich vor ihr aus dem Nichts. Behutsam nahm er ihr den Hörer aus der Hand, kein leichtes Unterfangen, so fest, wie sich ihre Finger darum klammerten, und legte auf. Er hockte sich vor ihr auf den Boden, legte ihr die Hände auf die Knie und musterte sie besorgt.
»Jetzt atmest du erst mal tief durch«, sagte er ruhig, »und dann erzählst du mir noch einmal ganz langsam und der Reihe nach, was passiert ist.«
Mit ihm hier und dem Wissen, nicht länger allein zu sein, fiel es ihr bedeutend leichter, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Sie erzählte ihm von ihren Begegnungen mit Shandraziel und davon, wie Kyriel sie vor dem Gefallenen beschützt hatte. Seinen Disput mit Luzifer ließ sie ebenso wenig unter den Tisch fallen wie Kyriels wahre Gründe für seinen Seitenwechsel. Zu ihrem Erstaunen reagierte Akashiel nicht wütend, stattdessen wirkte er enttäuscht.
Jules schüttelte den Kopf. »Er ist nicht so«, sagte sie. »Er ist kein Verräter, sondern nur eine verirrte Seele, die herausfinden musste, dass ihre Loyalität zu lange dem Falschen gehörte. Er weiß nicht mehr, wohin er gehört, und deshalb hat er … hat er …« Sie war kurz davor, den Faden zu verlieren. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, fing sie sich jedoch wieder und konnte fortfahren.
Als sie von Amber anfing, nickte Akashiel. »Davon weiß ich bereits.«
Das erklärte auch Rachels Niedergeschlagenheit.
Immer schneller sprach Jules weiter, erzählte von Shandraziel, der sie reingelegt und ihr ihre Seele abgeschwatzthatte, und von Kyriel, der bereit gewesen war, alles zu geben, um ihr Opfer ungeschehen zu machen. Die letzten Bilder standen ihr noch so deutlich vor Augen, dass sie wieder zu weinen anfing, trotzdem hörte sie nicht auf zu erzählen. »Er hat ihm die Flügel ausgerissen und ihn an einen Felsen mit flüssiger Lava gekettet. Und … und … ich kann ihn dort nicht einfach zurücklassen. Nicht nach allem, was er für mich getan hat.«
»Er hat all jene verraten, die an ihn geglaubt haben«, sagte Akashiel.
Jules fuhr sich über die brennenden Augen. »Mich hat er nie verraten. Wir müssen ihn da rausholen. Bitte, Akashiel!«
Akashiel dachte eine Weile nach. »Mein Leben wäre wohl zu friedlich ohne diesen Trottel.«
»Dann hilfst du mir?« Als er nickte, schloss sie erleichtert die Augen, öffnete sie aber sofort wieder. »Wie sollen wir diese Höhle finden, und wie kommen wir rein, ohne gesehen zu werden?«
»Das dürfte der leichte Teil sein.« Akashiel nahm die Hände von ihren Knien und stand auf. »Luzifer nutzt diese Höhlen nur für seine offiziellen Geschäfte. Es ist mittlerweile Abend, um diese Zeit sollte bis auf ein paar Wachen niemand mehr dort sein, es dürfte also nicht allzu schwierig werden, zu Kyriel zu gelangen. Ganz besonders nicht …«
»Weil niemand damit rechnen wird, dass wir das versuchen werden«, vollendete sie seinen Satz. Nicht länger tatenlos herumzusitzen und sich in ihrem Entsetzen und ihrer Trauer zu suhlen, sondern zu wissen, dass sie etwas unternehmen würden, gab ihr ihre Kraft zurück. Sie würden Kyriel befreien! Allerdings mussten sie ihn dazu erst einmal finden. »Wie kommen wir hin?«
»Du wirst mich führen.«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung wohin.«
»Du bist jetzt eine Nephilim«, sagte Akashiel. »Deine Kräfte sind noch nicht erwacht, aber ich kann dich wie ein Navigationssystem benutzen, wenn du mich in deinen Geist lässt.«
»Einverstanden.«
»Dann lass uns loslegen.« Er reichte ihr die Hand und zog sie auf die Beine. Sobald sie vor ihm stand, ließ er ein Flammenschwert in seiner Hand entstehen. »Für den Fall, dass wir auf ein Empfangskomitee stoßen.«
Das Schwert in der einen Hand legte er die andere auf ihre Stirn. Eine ähnliche Geste hatte sie bei Kyriel gesehen, als er in Ambers Erinnerungen geblickt hatte.
»Öffne deinen Geist für mich. Erinnere dich an Luzifers Höhle, ruf dir alles so detailgetreu wie möglich ins Gedächtnis, mit allen Gerüchen und Geräuschen. Erinnere dich an das, was du gefühlt hast.«
Das war so ziemlich das Letzte, woran sie sich erinnern wollte. Trotzdem versuchte Jules, in Gedanken zurück in Luzifers Höhle zu reisen. Sie erinnerte sich an die Hitze und an den latenten Geruch von Schwefel, der die Luft erfüllt hatte. Sie hörte Luzifers Lachen und
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