Seelenglanz
glattgelaufen.«
»Du hast ihn den Räuber rechtzeitig bemerken lassen.« Das war die Art, wie wir arbeiteten und wie Akashiel es mir seit Monaten predigte: Stell dich unsichtbar neben den Menschen und beeinflusse ihn, indem du ihm Gefühle eingibst oder auch einmal eine Warnung in den Kopf setzt. Wir sprachen nicht wirklich, sondern ließen unsere Stimme im Kopf unseres Schützlings erklingen. Auf diese Weise hielten die Menschen unsere Worte oft für ihre eigenen Gedanken oder eine Warnung ihres Unterbewusstseins.
»Der Kerl schien sich eher zufällig in den Hinterhof verirrt zu haben. Bei Joes Anblick kam ihm wohl spontan der Einfall, ein paar Dollar aus ihm herauszuholen. Ein geplanter Coup war das jedenfalls nicht.« Akashiel grinste. »Die Sache mit den Einflüsterungen hat schon ihren Sinn. Das hättest du auch versuchen sollen, statt dich von dem Bus plattmachen zu lassen.«
Verdammter Idiot! Er wusste genau, dass mir dazu überhaupt keine Zeit geblieben war. Trotzdem schien es ihm einen Heidenspaß zu bereiten, mich daran zu erinnern.
»Dank meiner Worte«, fuhr er ungerührt fort, »bemerkte Joe den Räuber, bevor der ihm zu nahe kommen konnte, und flüchtete in den Laden. Er hat seinem potenziellen Mörder quasi die Tür vor der Nase zugeschlagen.«
»Danke, dass du mich an deinem Erfolg teilhaben lässt«, sagte ich sarkastisch. »Schönen Tag noch.«
Akashiel ignorierte den Rauswurf. »Wie war es bei dir?«
»Alles bestens.« Allmählich fing er an, mir wirklich auf die Nerven zu gehen. »Wie du siehst, konnte ich mich unfallfrei nach Hause versetzen. Ein toller Trip. Mach’s gut und bis zum nächsten Mal.«
Er rührte sich immer noch nicht vom Fleck. »Nachdem du ihn entdeckt hast, wirst du es ihm sagen.«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Der Nephilim. Du wirst ihn darüber aufklären, was er ist.«
Manchmal konnte Akashiel einem wirklich unheimlich sein. Gab es überhaupt etwas, was er nicht mitbekam? »Für eine derart verantwortungsvolle Aufgabe bin ich wohl kaum der Richtige«, spottete ich.
»Dann solltest du das schnell werden, denn du wirst es tun.«
»Was ist mit meiner Suspendierung?«, versuchte ich mich herauszureden.
»Gilt nur für Schutzaufträge.« Akashiels Grinsen wurde breiter. Hauptsache, er hatte seinen Spaß an der Sache. Verflucht, ich hätte den Kurzen einfach ignorieren sollen, statt mich auch noch davon zu überzeugen, dass er das war, wofür ich ihn hielt. Jetzt hatte ich den Ärger.
Wann immer ein Schutzengel auf eines dieser seltenen Halbwesen traf, nahm er Kontakt zu ihm auf und erklärte ihm, was er war. Darauf wurde dem Nephilim angeboten, die Schutzengel bei ihrer Arbeit zu unterstützen – natürlich nicht bei den Aufträgen, dafür fehlten ihnen die notwendigen Fähigkeiten, aber zumindest als Assistent, der sich um den administrativen Kram kümmerte, uns das Verfassen lästiger Berichte ersparte, die Ablage erledigte, für endlosen Kaffeenachschubsorgte und was ein Assistent eben noch so alles tat. Lehnte ein Nephilim das ab, wurde seine Erinnerung an die Begegnung mit dem Engel und alles, was er ihm erzählt hatte, gelöscht. Er lebte sein Leben weiter, bis er starb und schließlich als Nephilim wiedergeboren wurde. Dann konnte er erneut eine Entscheidung treffen – auf der Erde zu bleiben und die Schutzengel zu unterstützen oder nach Oben umzuziehen und das alles hier hinter sich zu lassen.
Dass die Nephilim bereits vor ihrer Wiedergeburt die Möglichkeit erhielten, eine Wahl zu treffen, war eine aus der Not heraus geborene Entscheidung. Die Schutzengel waren schon seit Langem hoffnungslos unterbesetzt und hatten mehr Arbeit, als sie bewältigen konnten. Da war es nur logisch, ihnen – oder uns, worauf Akashiel sicher wieder bestehen würde – alle Hilfe zur Seite zu stellen, die wir kriegen konnten.
Im Gegensatz zu mir hatten die Nephilim immerhin eine Wahl.
Es wurmte mich, dass ausgerechnet ich den Kurzen aufklären und eine Entscheidung von ihm verlangen sollte. Akashiel musste doch wissen, wie wenig Lust ich dazu hatte und wie wenig ernst ich diesen Job nehmen würde. Vermutlich erhoffte er sich immer noch, mich bekehren und zu einem guten und anständigen Schutzengel machen zu können. Höchste Zeit, ihm seine ewige Zuversicht auszutreiben.
»Ich kümmere mich bei Gelegenheit darum«, meinte ich lapidar.
»Heute noch.« Akashiel stand auf und sah mich ernst an. »Andernfalls werde ich dafür sorgen, dass Uriel dich nicht nur im
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