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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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die Teller mit dem servierfertigen Essen abstellten. Zu klein, um durch sie jeden Winkel der Küche einsehen zu können.
    Auf der Suche nach einem besseren Beobachtungsposten ging ich an der Bar und den Tischen vorbei und bog in den Gang zu den Toiletten. Hier wurde ich fündig: Zu meiner Rechten führte eine offene Tür in die Küche. Ich schlüpfte hinein und postierte mich neben der Tür an der Wand, wo ich nicht Gefahr lief, dass jemand durch mich hindurchging.
    Es dauerte nicht lange, bis ich Jules entdeckte. Der Kurze stand am Grill, bewaffnet mit einem Pfannenwender und einer Fleischzange, und jonglierte mit Steaks, Rippchen und Hamburgerfleisch. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und die schwungvollen Bewegungen, mit denen er Fleischwendete, vom Grill auf Teller warf oder neue Fleischstücke auflegte, standen in krassem Gegensatz zu der Resignation in seinen Zügen.
    Etwas an dem Kerl erschien mir seltsam, ohne dass ich hätte sagen können, was es war. Vielleicht lag es an der Mischung aus Resignation und Arbeitswut – und Wut schien mir hier durchaus der passende Begriff zu sein, so wie er mit dem Fleisch hantierte –, womöglich war mein Eindruck auch der Tatsache geschuldet, dass ich mir noch immer nicht sicher war, ob er mich draußen nun gesehen hatte oder nicht.
    Mittlerweile stand ich seit einigen Minuten auf meinem Posten, und er hatte noch keine Reaktion gezeigt, die meine Vermutung bestätigt hätte. Allerdings hatte er auch noch nicht in meine Richtung gesehen, sondern seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Grill vor sich, die Teller daneben und die Kühlung mit dem Fleischnachschub gerichtet. Ich warf einen Blick auf die Wanduhr über der Essensausgabe. Noch drei Minuten, nahm ich mir vor. Dann würde ich versuchen, ihn auf mich aufmerksam zu machen.
    Das Knarren der Hintertür zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Fertucci kam hereingestürmt, warf die Tür hinter sich zu und legte den Riegel vor. Sein Blick wirkte ein wenig gehetzt, doch immerhin war er am Leben. Offensichtlich hatte Akashiel seinen Auftrag erfüllt.
    »Stimmt was nicht, Joe?« Die Frage des Kleinen lenkte mein Augenmerk wieder auf ihn. Du meine Güte, wie alt war er eigentlich? Seine Stimme klang, als wäre der Stimmbruch spurlos an ihm vorübergegangen! Oder als hätte er ihn noch gar nicht gehabt.
    Fertucci schüttelte den Kopf. »Alles okay«, sagte er und klang dabei ziemlich gehetzt. »Oder auch nicht. Ich weiß nicht. Ich glaube, ich bin gerade einem Überfall entgangen.«
    Der Kurze ließ den Pfannenwender sinken. »Im Ernst?«
    »Da ist so ein Typ im Hinterhof herumgeschlichen. Es sah so aus, als hätte er ein Messer.«
    »Scheiße! Ich glaube, den habe ich vorhin auch gesehen.«
    Meinte er mich oder war Akashiels Raubmörder tatsächlich schon vorher da gewesen?
    »Glaubst du, dass er in den Laden kommt?«, fragte Jules. »Sollen wir die Polizei rufen?«
    »Wahrscheinlich ist er getürmt, aber ich rufe trotzdem vorsichtshalber bei den Cops an.« Im Vorübergehen tätschelte Joe dem Kurzen die Schulter und nickte dem Koch, der bei Fertuccis Erzählung ebenfalls in seiner Arbeit innegehalten hatte, kurz zu. Dann ging er an mir vorbei und verließ die Küche.
    Der Koch nahm seine Arbeit wieder auf, während Jules, dessen Blick seinem Boss gefolgt war, nun endlich in meine Richtung schaute.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Er sah mich! Das war der Beweis! Der Kleine war ein Nephilim – halb Mensch, halb Engel. Dank des Engelsblutes, das durch seine Adern floss, war seinesgleichen imstande, uns auf jeder Daseinsebene zu sehen.
    Ich hob entschuldigend die Hand. »Falsche Tür.« Meine Neugierde war gestillt, ich hatte herausgefunden, was ich wissen wollte. Deshalb zog ich mich aus der Küche zurück und folgte dem Gang zu den Toiletten.
    »Mit wem redest du?«, vernahm ich eine Stimme aus der Küche. Vermutlich der Koch.
    »Mit dem Typen, der sich auf dem Weg zum Klo verlaufen hat.«
    Sobald ich aus dem Sichtfeld des Kurzen verschwunden war, versetzte ich mich nach Hause.
    Dort erwartete mich Akashiel bereits. Er saß auf meiner Couch, futterte meine guten Kartoffelchips und schaute die Nachrichten. Als er mich sah, schaltete er den Fernseher aus.
    »Was willst du denn schon wieder?« Er war der Einzige, der mich je in meinem Apartment besucht hatte, der Einzige, der überhaupt wusste, wo ich wohnte – und im Augenblick bedauerte ich, dass ich es ihm gesagt hatte.
    »Danke der Nachfrage«, gab er zurück. »Es ist alles

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