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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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über den Schulhof geprügelt wurde?
    »Abgelehnter Vorschuss.« Ich ertappte mich dabei, dass ich nun ebenfalls flüsterte. »Scheint mir ein gutes Motiv für einen Raubüberfall zu sein.«
    »Kommt darauf an, wie dringend er das Geld braucht«, gab Akashiel zurück.
    »Es ist wirklich wichtig«, sagte der Kurze in dem Augenblick. »Ich kann Extraschichten machen, um es abzuarbeiten. So viele du willst – auch an den Abenden.«
    Ha, er war verzweifelt! Ich zog die Augenbrauen in die Höhe und bedachte Akashiel mit meinem besten »Da hörst du es«-Blick.
    Als wollte er meine These untermauern, sagte Joe: »Du weißt, dass ich dir helfen würde, wenn ich könnte. Verflucht, das habe ich immer getan!« Er zog an seiner Zigarette und blies den Rauch, begleitet von einem Husten, in die Luft. »Aber dieses Mal kann ich nichts tun. Der Laden läuft seit Monaten schlecht, ich habe mehr Personal, als ich mir leistenkann, und werde die Schichten der meisten zurückfahren müssen, wenn ich den Laden nicht dichtmachen will.«
    »Zurückfahren?«, echote der Kurze und wurde sichtbar blass. »Meine etwa auch?«
    »Mir bleibt keine andere Wahl.«
    Es war, als hätten Fertuccis Worte dem Jungen die Luft rausgelassen. Er sank regelrecht in sich zusammen, was ihn schlagartig noch kleiner und zerbrechlicher aussehen ließ. Seine Verzweiflung war so greifbar, dass ich es für die Dauer eines Augenblicks durchaus für möglich hielt, er könnte eine Verzweiflungstat begehen. Allerdings nicht hier und nicht um diese Zeit. Und wohl kaum mit einem Pfannenwender. Nachdem ich nicht davon ausging, dass Akashiel ebenfalls veränderte Aufträge bekam und Fertucci jetzt und hier sterben sollte, schied der Junge in meinen Augen aus. Er kannte den Laden und wusste, wann die Kassen voll waren und er am besten an den Zaster herankommen konnte. Im Augenblick war aus Joe Fertucci sicher nicht mehr herauszuholen als ein billiges Feuerzeug, eine angebrochene Packung Zigaretten und ein benutztes Taschentuch.
    Einen Moment lang stand der Junge schweigend da. Die Hände in den Taschen seiner beigen Cargohose vergraben, schien er nach einer Lösung zu suchen. Dabei wanderte sein Blick über den Hof – und blieb an mir hängen.
    Zumindest sah es so aus.
    Akashiel stand einen Schritt hinter mir, tiefer in den Schatten, und schien nichts Ungewöhnliches zu bemerken. Vielleicht war es Einbildung gewesen. Als ich meine Aufmerksamkeit jedoch wieder auf den Jungen richtete, sah er mich noch immer an.
    Dabei war ich unsichtbar.
    Dann senkte er den Kopf. »Da kann man wohl nichts machen«, sagte er so leise, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen.»Trotzdem danke, Joe.« Er machte kehrt und öffnete die Hintertür. Auf der Schwelle hielt er noch einmal kurz inne und straffte die Schultern. Dann ging er hinein.
    »Der Kleine wird ihm wohl nichts tun«, sagte Akashiel.
    Vermutlich rechnete er damit, dass ich mit ihm darüber diskutieren würde, wie groß die Chance war, dass der Junge in dreißig Sekunden bewaffnet zurückkehrte und Fertucci das Licht ausblies. Ich sagte jedoch nichts. Meine Gedanken drehten sich noch immer um den Blick, den ich aufgefangen hatte. Aufgefangen zu haben glaubte . Trotzdem war ich neugierig geworden und beschloss, den Jungen genauer unter die Lupe zu nehmen.
    »Du hast das hier sicher im Griff«, sagte ich zu Akashiel. »Ich für meinen Teil habe noch etwas zu erledigen.«
    »Du lässt mich hängen?«
    Ich hob abwehrend die Hände. »Hey, ich bin ein Opfer der Umstände, Kumpel. Oder hast du schon vergessen, dass ich suspendiert bin? Am Ende bekommst du Ärger mit Uriel und dem Oberschutzengel, wenn ich mich einmische.«
    Ich gab ihm keine Gelegenheit zu einer Antwort und machte mich aus dem Staub. Ich hätte das Restaurant durch die Hintertür betreten können. Doch die Tür war aus Metall, sodass ich nicht einfach hindurchgleiten konnte, sondern warten müsste, bis Fertucci wieder nach drinnen ging, um mit ihm hineinzuschlüpfen. Wenn Fertucci den Hinterhof verließ, wäre auch Akashiels Auftrag beendet, und er würde sich mir neugierig, wie er war, an die Fersen heften. Ich wollte ihn jedoch nicht wissen lassen, was ich beobachtet hatte. Er würde nur wieder einen Grund finden, mir deswegen auf die Nerven zu gehen.
    Da ich noch nie in Joeys Grill gewesen war, konnte ich mich auch nicht einfach hineinversetzen. So blieb mir nur die Straße vor dem Laden, eine belebte Einkaufsmeile, dieich schon tausendmal entlanggelaufen war.

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