SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Zerstöre! Der Geist rebellierte. Urinstinkte wollten die Kontrolle übernehmen und ihn zur Wandlung zwingen.
Konzentrier dich! Denk an deine Aufgabe!
Roven spürte das Echo eines Portals. Die Königin hatte sich also zu diesem Ort bewegt und … Lennart getötet? Unwahrscheinlich. Wenn sie die Möglichkeit gehabt hatte, ihn mit sich zu nehmen, war dies auch erfolgt. Im Gegensatz zu Akkadiern, die keine Gefangenen machten, nutzten Königinnen solche Gelegenheiten zu gern.
Er musste an Danica denken – der Krieg in MachuPicchu, eine dreckige Schlacht.
Ein Großteil der Unsterblichen kämpfte gegen die Taryk, die zu tausenden aus dem Versteck strömten, während die anderen Akkadier versuchten, die Königin zu bezwingen. Roven gehörte zu denen, die sich das Monstrum vorgenommen hatten. In ihrer natürlichen Gestalt besaß sie den Schlangenkopf des Gottes Nergal, drachenähnliche Gliedmaßen und war fünf Mal so groß wie eine ausgewachsene akkadische Bestie.
Sie befanden sich auf dem Hügel der Inkastätte, inmitten der grünbewachsenen Felder. Roven hatte einen Hinterlauf verloren. Seine Sicht war aufgrund der starken Verletzung getrübt – der Körper konzentrierte sich auf die Heilung. Er würde bald das Bewusstsein verlieren. Mit viel Mühe konnte er Lennart am anderen Ende der Ruinen ausmachen. Sein Bruder lag auf der Seite und blutete aus dem Bauch. Das Fell leuchtete golden. Er bewegte sich nicht.
Danica hätte auf Verstärkung warten sollen. Aber sie wollte wohl verhindern, dass Roven und Lennart dem Monster ausgeliefert waren. So trat sie der Königin allein gegenüber. In ihrer bestialischen Größe und Schönheit übertraf sie viele der männlichen Akkadier. Ihr Fell war nachtschwarz und schimmerte rötlich in der Sonne. Die Hörner prangten bedrohlich am Schädel. Ihre Fänge hatten sich zu riesigen Reißzähnen verlängert. Sie stand auf allen Vieren in Angriffsposition, hatte die Klauen in den saftigen Grasboden geschlagen und brüllte aus Leibeskräften. Roven nahm alles nur noch schemenhaft war. Sein Gehör ließ nach. Das Letzte, was er sah, war Danica, die sich auf die Kehle des Drachens stürzte und dieser einen tiefen Riss zufügte. Kurz darauf wurde sie zu Boden geschleudert.
Einhundertdreißig Jahre waren seitdem vergangen. Niemand wusste, ob Danica lebte. Die Königin war entkommen. Sie hatte ein Portal geöffnet und die Akkadia höchstwahrscheinlich mit sich genommen. Roven kämpfte noch heute mit den Erinnerungen an diese fürchterliche Niederlage. Wenn es Lennart jetzt auch erwischt hätte – nicht auszudenken! Er könnte auf der ganzen Welt versteckt sein. Wie zum Teufel sollte Roven ihn finden? Nur ein Taryk könnte ihm weiterhelfen, sofern er einen aufspürte, der von jener Königin abstammte, die Lennart entführt hatte.
Der Akkadier drehte sich um und verschmolz mit der Dunkelheit. Er beschleunigte sein Tempo und hetzte durch die Straßen, seine Witterung voll und ganz auf Taryk ausgerichtet. Er musste einen finden, er musste einfach! Wenn er erfahren könnte, wo Lennart hingebracht worden war, könnte er sich auf die Suche machen. Aber ohne Verstärkung vermochte selbst Roven kein Königreich zu stürmen – verdammt! Das käme einem Selbstmord gleich. Bei Danica hatten sie niemanden befragen können. Es hatte keine überlebenden Taryk gegeben. Diesmal existierte eine Chance. Er würde ihn finden, er musste ihn finden!
Immer größer zog Roven seine Kreise um das Stadtzentrum, doch es schien Ewigkeiten zu dauern. War denn in dieser gottverdammten Nacht kein einziger Seelenreißer unterwegs? Endlich – da war etwas. Er konnte es erkennen, eine schwarze Aura, in der Nähe des Babalous . Sie mussten gerade erst dort aufgetaucht sein. Der Akkadier erreichte sein Ziel und fand zwei Taryk, die sich ein weibliches Opfer auf der anderen Straßenseite ausgesucht hatten. Roven kam ihnen zuvor und blockierte den Weg.
„Verpiss dich!“, begrüßte ihn der Größere und zückte seinen Degen. Der Zweite zog eine Grimasse und stürzte sich unüberlegt auf ihn. Er wirkte jünger. Wahrscheinlich würde er diesen eher zum Reden bringen. Roven wartete die Faust ab, die ihn mitten ins Gesicht traf und es ein paar Millimeter nach rechts zwang. Er knurrte. Der Taryk holte zum zweiten Schlag aus. Doch bevor er treffen konnte, hatte der Akkadier sein Schwert aus der Scheide befreit und rammte es in die Brust des Gegners. Er stieß ihn gegen die Mauer und fixierte ihn samt Klinge in den Ziegeln.
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