SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
In jeder stillen Minute wollten die Gedanken in ihr lauter werden. Wieso nur fiel es ihr so schwer, dieses Thema zu verdrängen?
Auf halber Strecke glaubte sie, einen zweiten Schritt hinter sich zu hören. Er beanspruchte den Asphalt unter seiner Last und wurde lauter, kam näher. Selene wollte sich nicht umdrehen, wollte das nicht ernst nehmen und doch spürte sie eine gewisse Nervosität. Aber die Schritte wurden wieder leiser, bis sie ganz verschwanden.
Eine Paranoia zu entwickeln konnte sie sich nicht erlauben. Soweit durfte es nicht kommen. Auch wenn Selene überzeugt war, dass nicht mehr viel dazu fehlte.
Sie spürte einen kalten Hauch im Nacken.
Selene wirbelte herum und blickte in das widerlich grinsende Gesicht eines schwarzhaarigen Mannes – nur Zentimeter von ihrem entfernt.
Im Babalou fing das Whiskeyglas in Rovens Hand an zu vibrieren. Die Faust hatte sich um den zerbrechlichen Zylinder verkrampft, als er Naham davon hatte abhalten müssen, Selene nachzueilen.
Das Schicksal spielte mit ihm und er fragte sich, auf was das alles hinauslaufen sollte. Als er Selenes Geruch in der St. Mathews Road bemerkt hatte, war er nicht im Stande gewesen, dies zu ignorieren. Er hatte gehofft, sich zu täuschen. Doch der Anlass seiner Unruhe hatte formvollendet auf einem Ledersofa gesessen und ihn angestarrt. Nicht vor Verlangen, sondern voller Neugier.
Sie hatte ihn nicht wiedererkannt. Aber die Art und Weise, wie Selene die Augen zusammengekniffen und überlegt hatte, deutete auf einen Fehler im System hin. Das war nicht gut. Gar nicht gut.
Was sollte er jetzt tun? So, wie der Akkadier das Schicksal kennengelernt hatte, würde diese Sache hier nicht enden. Er würde ihr wieder begegnen, wieder und wieder und schon bei diesem Gedanken wurde ihm schwindelig vor Verlangen.
Roven war so kurz davor, seiner Versuchung nachzugeben, wollte ihr nachlaufen, ihr den Weg verstellen – wie ein Jäger, der seine Beute einkreiste. Und sie würde es verdammt noch einmal wollen und genießen. Der Akkadier wünschte sich, ihr schwarzes Haar berühren zu können, die Wellen durch seine Finger gleiten zu lassen. Er wollte ihr erhitztes Gesicht zwischen die Hände nehmen und Selene in die Dunkelheit ziehen, ihren zarten Körper an sich pressen und mit Küssen bedecken, bis sie keine Luft mehr bekam. Der Geschmack dieser milchigen Haut würde ihm auf der Zunge zergehen. Er wollte sie kosten, ablecken und an ihr knabbern, bis sie unter seiner Gier laut aufstöhnte.
Dieser Hunger – er machte ihn fast wahnsinnig. Wie konnte er einen Menschen derart begehren? Wie konnte sich ihr Blick so richtig anfühlen, wenn es ihm gleichzeitig seine ganze Selbstkontrolle abverlangte, sich nicht blutrünstig auf sie zu stürzen? Sein Herz … er hatte sein Herz gespürt, als es im gleichen Takt wie das ihre geschlagen hatte. Voller Sehnsucht nach dem kräftigen Muskel. Sein Körper wollte zu ihrem – besonders Naham . Roven hatte das Glühen seiner Iriden nur mit Mühe unterdrücken können, spürte die Nachwirkungen auch jetzt noch schmerzhaft.
Die Bestie jammerte in einer Tour, wollte Anspruch auf diesen Menschen erheben.
Doch plötzlich wurde sie ruhig … und lauschte, lauschte in die Ferne – und hörte einen Schrei. Rovens Bestie fühlte Angst – das erste Mal in ihrem Leben. Selene!
Der Hocker flog mit einem Scheppern nach hinten. Noch bevor er den Boden erreichte, war der Akkadier schon in die Nacht hinaus. Er musste nicht suchen, musste keinen Spuren folgen. Er brauchte bloß seinem Instinkt zu vertrauen und spürte Selene mit jedem Herzschlag, der donnernd in seinen Ohren widerhallte.
Die Dunkelheit raste an ihm vorbei.
Und auch der schockierende Anblick in der Electric Avenue konnte seinen Rausch nicht stoppen. Fünf Taryk beugten sich über seinen Engel, hatten Selene zwischen die Marktstände hinein in die Dunkelheit geschleift.
Adrenalin schnellte durch Rovens Körper. Seine Augen flammten auf, die Klauen schossen hervor. Er rannte blind vor Wut in die Gruppe hinein und zerfetzte den ersten Taryk mit einem ohrenbetäubenden Brüllen in der Luft.
Die Meute zerstreute sich entsetzt. Roven landete über Selene und starrte wie wahnsinnig auf seine Feinde. Ein kurzer Blick nach unten verriet ihm, dass sie bewusstlos war und vertrieb den letzten Rest Vernunft aus seinem Schädel.
Er überließ seinem Tier die Kontrolle.
Den zweiten Taryk schleuderte er gegen die nächste Mauer, an der dieser bewusstlos zu Boden ging. Dunkler
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