SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Nebel kroch aus der Verletzung am Scheitel. Er erwischte den Dritten mit seinen Klauen und löste den schreienden Kopf vom zappelnden Körper. Der Vierte versuchte panisch davon zu rennen. Roven teleportierte sich vor ihn und schickte die Klinge seines Schwertes durch den Leib des Seelenreißers. Der Fünfte stand wie angewurzelt da, hyperventilierte und versuchte sich scheinbar in Rauch aufzulösen. Doch er war zu langsam. Der Akkadier stürzte sich auf ihn und riss ihm mit einem donnernden Schrei den Schädel vom Rumpf.
Tod umgab Roven, die Schwärze der Nacht kroch in ihn hinein und ergriff Besitz von ihm. Er drohte, die Kontrolle zu verlieren. Sein Bewusstsein versank in Finsternis und Naham wühlte sich an die Oberfläche. Doch plötzlich erstrahlte ein kleines Licht in seinem Herzen und führte ihn zurück. Er brauchte nur an einen Menschen zu denken, um klar im Kopf zu werden.
Roven nahm neben Selene Gestalt an. Er kniete sich hin und zog sie auf seinen Schoß. Sie war immer noch bewusstlos. Ihr Gesicht wirkte beinahe friedlich, als hätte sie eine tiefe Erschöpfung zur Ruhe gebracht. Komm zurück zu mir! Der Akkadier streichelte die zarte Haut ihrer Wange, Selenes Augen blieben reglos. Das durfte nicht sein! Er starrte ungläubig auf sie hinab und zerrte an ihren Schultern, um sie aufzuwecken. Wenn sie nicht mehr sie selbst wäre … Wenn die Taryk Selenes Seele gestohlen hätten …
Ihre Augen flackerten.
Sie wurde wach.
Sein altes Herz machte einen kleinen Sprung und er wusste, dass er sie nie wieder in Gefahr sehen wollte.
Es war hell, so hell. Als würde Selene in der Sommersonne liegen. Sie konnte schemenhaft einen blonden Mann erkennen, der sie in seinen Armen hielt, erinnerte sich an Kälte, aber davon war nichts mehr zu spüren. Hatte er sie gerettet? Er musste.
Selene fühlte sich schwerelos und wurde in solche Stärke eingehüllt –wie eine Umarmung vollkommener Schönheit.
Langsam wurde alles schärfer.
Etwas Feuchtes traf ihre Stirn. Es begann zu regnen.
Und sie erkannte, dass es nicht die Sommersonne war, die auf sie hinabstrahlte, sondern den Augen ihres Retters,die tatsächlich leuchteten, als würden sie den Himmel widerspiegeln. Darüber neigten sich blonde Augenbrauen zu einem sorgenvollen Ausdruck. Die strenge Linie seines Unterkiefers wirkte angespannt, die Wangen kantig. Das einzig Weiche waren die geschwungenen Lippen, die momentan zu einem schmalen Strich verzogen waren. Er erinnerte sie an jemanden.
Regen rann an seinem Gesicht hinunter, sammelte sich am breiten Kinn und tropfte auf Selenes Wange. Eine raue Hand wischte die Nässe fort. Sie versuchte etwas zu sagen, doch ihre Stimme blieb stumm. Auch ihre Arme wollten noch nicht reagieren.
Plötzlich versteinerte sich die Miene des Fremden.
Selene sah etwas Spitzes auf sich zukommen.
Mein Gott!
Da war ein Schwert, ein schwarzes Schwert, das durch seine Brust gestoßen wurde und dessen Klinge kurz vor ihrem Augapfel zum Stehen kam. Ihr dunkler Engel entließ sie verkrampft aus seinen Armen, erhob sich und wirbelte mit einem Brüllen herum. Wie aus dem Nichts war ein hagerer Mann aufgetaucht, stand dem blonden Riesen gegenüber und hatte das Maul zu einem widerlichen Grinsen verzogen.
Selene blieb atemlos liegen. Und der Regen schien wie in Zeitlupe zur Erde zu fallen.
Die Kälte von vorhin war zurück und krallte sich in ihrer Brust fest. Jetzt wusste Selene wieder, wodurch das ausgelöst worden war.
Dieser Mann hatte sie überfallen.
Doch der triumphierende Hass entwich seiner Visage, als der Riese ihn mit einem Schlag ins Gesicht an die gegenüberliegende Mauer katapultierte. Noch immer steckte dieses Schwert in seiner Brust, aber er schien es gar nicht zu bemerken. Der Regen wurde immer stärker und Selene kniff die Augen unweigerlich zusammen.
Ihr Retter rannte auf seinen Angreifer zu und – Sie wollte nicht hinsehen, ahnte, was passieren würde. Mit einem kraftvollen Stoß durchbohrte er den Bauch des Gegners. Dieser riss die schwarzen Augen auf und dann – Um Himmels willen! Der Riese schlug ihm den Kopf ab.
Selene war kurz davor, sich zu übergeben. Ihr Magen rebellierte. Sie fürchtete, ohnmächtig zu werden und doch konnte sie nicht wegsehen. Entgegen ihrer Erwartungen erreichte der abgetrennte Kopf nicht den Boden, sondern löste sich in Luft auf. Eine schwarze Wolke stürzte statt seiner hinab und verschwand in der Nacht. Mit offenem Mund und reglosen Augen starrte Selene dem Rauch hinterher, bis er
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