SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
schließlich im Erdreich versickerte.
Als sich der blonde Mann zu ihr umdrehte, umgab ihn dieser Nebel wie eine dunkle Aura. Und sein Angreifer … war verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Dort, wo er gestanden hatte, war lediglich schwarzer Dunst zu sehen, der die Mauer hinunterkroch. Der Regen spülte die Schwärze fort und wusch alles sauber.
Plötzlich versiegte das Leuchten in den Augen ihres dunklen Engels. Seine Iriden färbten sich blau. Er schien Schmerzen zu haben, als er auf sie zukam, sah genauso aus, wie Selene sich fühlte – vollkommen durchnässt und tief erschöpft. Und dieses schreckliche Schwert ragte aus dem Körper hervor. Wie konnte er überhaupt atmen? Das alles verwirrte sie. Aber eine Stimme im Herzen versicherte Selene, dass er ihr nichts tun würde und dass sie keine Angst zu haben brauchte.
„Bist du okay?“, fragte er heiser. Trotz der Schmerzen, die er haben musste, sorgte er sich um sie. Selene setzte sich vorsichtig auf und versuchte, das Schwindelgefühl zu unterdrücken. Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr sie zitterte. Der Regen hatte ihre Haut erreicht, aber die Kälte wirkte nur äußerlich. Ihr Innerstes erholte sich, seitdem der schwarzhaarige Mann verschwunden war. Und sie hatte keine Verletzungen, ihr tat nichts weh – im Gegensatz zu ihrem Retter.
„Ja … ich denke schon. Danke.“ Es war absurd. Selene wollte so vieles fragen, aber sie konnte nicht. Er stand vor ihr – geschwächt, wie es aussah. Immerhin war seine halbe Brust zerfetzt. „Du brauchst Hilfe.“ Anstatt zu antworten, lächelte er mühevoll und reichte ihr seine Hand. Selene verspürte ein eigenartiges Déjà-vu. Ein fremder Traum flimmerte vor ihrem geistigen Auge und gaukelte ihr eine Erinnerung vor, die sie nicht haben dürfte. Die Erinnerung an einen Wald, einen Krieger und einen Kuss, der in ihren Adern widerhallte. Sie nahm seine nasse Hand und wurde von einer unglaublichen Wärme erfasst. Herrgott! Sie kannte all das, aber woher? Das war nicht möglich!
Als sie aufrecht stand, klebten feuchte Strähnen in ihrem Gesicht.
Selene wollte verstehen, erwartete Antworten von ihm. Und doch brachte sie kein einziges Wort heraus. Sie sah ihn nur an und versuchte, in seinen Augen das zu erkennen, was ihr eigener Geist nicht preisgeben wollte. Ihr Herz wusste, dass dieser Mann ihr alles hätte erklären können, die Fragen beantworten und die Zweifel vertreiben. Doch er presste seine Lippen zusammen und schaute weg.
Trotz des Wasserplätscherns breitete sich zwischen ihnen eine fürchterliche Stille aus.
Selene sah zu Boden und fühlte sich verschollen. Als ob der letzte Mensch, der sie verstand, gegangen wäre. Obwohl sie gerade Unglaubliches gesehen hatte, erschütterte sie etwas ganz anderes. Und sie erkannte einfach nicht, was es war. Wodurch es ausgelöst wurde. Oder wie sie es beseitigen könnte.
Der Fremde stöhnte, als er die Schneide in seiner Brust packte und nach hinten, zurück durch seinen Rücken schob. Das Metall fiel klirrend zu Boden. Er schnaufte und betrachtete seine Hände, auf denen sich eine schwarzgoldene Flüssigkeit mit dem Regen mischte.
„Vergiftet“, murmelte er wütend und wischte die Pranken an seiner Lederhose sauber.
Der dunkle Engel schaute auf und blickte sie traurig an. „Tut mir leid, Naiya . Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit.“ Mit diesen Worten kam er auf sie zu, ergriff ihre Hand und zog sie behutsam in seine Arme.
Selene verstand nicht, was er damit sagen wollte, und doch tröstete es. Sie wäre in diesem Moment sowieso nicht fähig, sich gegen irgendetwas zu wehren, und lehnte sich dankbar an ihn. Dann wurde es dunkel.
Der Akkadier hielt seine kleine Selene in den Armen und wollte nicht loslassen. Doch er musste.
Er teleportierte sie zu ihrer Wohnung, brachte sie nach Hause, in Sicherheit, wie er hoffte, und sollte sich dann schleunigst um seine Wunde kümmern. Die Waffe war mit Königinnenblut vergiftet gewesen. Ohne Hilfe würde der Schnitt nicht heilen. Das hieß, dass er seine Schönheit allein lassen musste, und das war etwas, was Roven – wie er sich eingestand – nicht wollte. Seine Bestie schlief durch das Gift. So brauchte er das Verlangen und die animalische Gier nach Selene nicht unterdrücken. Er könnte ihre Nähe genießen, ohne diesen Hunger zu spüren. Doch es sollte nicht sein.
Roven stand in Selenes Wohnzimmer. Ihr Körper kämpfte mit der Teleportation. Aber sie war stark und würde das leicht verkraften.
Wäre er nur
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