SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
hervor und räusperte sich. „Wo war ich denn? Und … warum liege ich im Krankenhaus?“
Julia kam auf sie zu und schloss Selene in die Arme, so fest, dass ihr für einen Moment der Atem wegblieb. Die Maschine neben dem Bett bestätigte das mit einem nervösen Piepen, sodass Julia sie erschrocken freigab und selbst für einen Moment die Luft anhielt. Betreten strich sie die Bettdecke glatt und wischte sich mit der linken Hand eine Träne fort. Sie schluckte sichtbar, drehte sich herum, als suche sie etwas, und zog schließlich den Stuhl heran, setzte sich und ergriff Selenes Hand.
„Warum du im Krankenhaus liegst?“ Ihre Freundin legte den Kopf schief und lächelte müde. „Weißt du, es ging dir nicht gut. Ich hab dich gestern früh bewusstlos in deinem Schlafzimmer gefunden.“
„Ja, ich war wohl weggetreten, oder so“, murmelte Selene zur Bestätigung.
„Weggetreten?“ Julia stieß die Luft aus. „Süße, du hast im Koma gelegen. Oder zumindest in einem Zustand, der diesem sehr nahe kam.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und der Arzt kennt die Ursache dafür noch nicht.“
„Im Koma?“, wiederholte Selene die Worte ihrer Freundin. „Aber es geht mir doch gut, oder?“
„Bestimmt.“ Julia senkte den Blick und streichelte Selenes Hand. „Ich geh mal den Arzt holen, ja?“
Ein paar Minuten später kehrte sie zusammen mit einem schlanken, grauhaarigen Mann zurück, der Selene mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen leuchtete und bestätigend mit dem Kopf nickte. Er stellte sich als Dr. Chris Talbot vor, während er seine randlose Brille mit dem rechten Zeigefinger wieder nach oben schob – eine viel zu jugendliche Geste für einen Mann seines Alters, fand Selene. Sie schätzte ihn auf Mitte Fünfzig.
„Hatten Sie oder jemand in Ihrer Familie je mit epileptischen Anfällen zu tun, Ms Johnson?“
Selene verneinte und Dr. Talbot betrachtete die Ausdrucke der Maschine, an die sie angeschlossen war, sah wieder zu Selene zurück und schüttelte den Kopf.
„Was auch immer diesen Zustand ausgelöst hat, sie scheinen sich davon erholt zu haben. Aber ich würde sie gern noch ein paar Tage hierbehalten – nur zur Sicherheit.“
Selene sah flehend zu Julia hinüber. Sie wollte nicht hier bleiben – nicht länger als wirklich notwendig. Und wenn es nach ihrem Gemütszustand ging, war sie durchaus im Stande nach Hause zu gehen.
Sie richtete sich auf. „Dr. Talbot, mir bekommen Krankenhäuser nicht sehr gut und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie für mich eine Ausnahme machen könnten. Ich möchte gern wieder nach Hause.“
Der Arzt schob seine Brille erneut nach oben und musterte Selene. „Das halte ich für keine gute Idee. Sie hatten zwar keinen Schlaganfall und wir konnten auch sonst nichts finden, aber solange wir die eigentliche Ursache nicht kennen, können Sie nicht ausschließen, dass dies wieder geschieht.“
„Doktor?“, ergriff Julia das Wort und zog den Blick des Arztes auf sich. „Könnte ich Sie vielleicht kurz vor der Tür sprechen?“
„Natürlich.“
Beim Verlassen des Zimmers zwinkerte sie Selene zu und es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie das Zimmer wieder mit einem verschmitzten Lächeln betrat.
„Du sollst dich morgen zur Kontrolle sehen lassen. Also pack deine Sachen, Süße, und sieh zu, dass du hier raus kommst“, grinste ihre Freundin über beide Wangen.
„Was? Ist das dein Ernst?“ Selene schüttelte irritiert den Kopf.
„Ich bitte dich! Das war ein Klacks!“, behauptete Julia und warf ihren Zopf betont weiblich zurück über die Schulter.
Gott sei Dank! Selene durfte nach Hause. Wie ihre Freundin das angestellt hatte, wusste sie nicht. Aber Julia hatte schon immer eine besondere Wirkung auf Männer gehabt.
Mit ihrer Hilfe stand Selene auf und suchte ihre Tasche aus dem Spind.
Wir sehen uns heute Abend , hatte er versprochen. Und sie hoffte, dass er sein Wort halten würde. Sie kannte nicht einmal seinen Namen, doch nachdem ihre Erinnerung zurückgekehrt war, bekam Selene das Gefühl, dass er ihr nicht so fremd war, wie sie zuerst gedacht hatte. Aber dies war lediglich ihr Gefühl, der Verstand verlangte nach Antworten. Und heute Nacht würde sie endlich mehr erfahren.
Selene duschte am späten Nachmittag, viel zu ausgiebig und unfähig, die Aufregung zu unterdrücken, schlüpfte in ein schwarzes, schulterfreies Kleid und knetete ihre Haare durch, damit die Locken besser fielen.
Die Sonne würde in einer halben Stunde untergehen. Dann
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