Seelengrab (German Edition)
war, die Dringlichkeit bei der Suche nach einer Leiche in den Hintergrund.
„Was macht Hellmann denn da?“, fragte Kirchhoff.
Hellmann beugte sich in einiger Entfernung über das Promenadengeländer. Er hatte an diesem Tag auf seine gelben Gummistiefel verzichten müssen. Die halbe Mannschaft war direkt nach der Morgenbesprechung zur Rheinpromenade aufgebrochen, sodass Hellmann keine Zeit mehr geblieben war, für anderes Schuhwerk zu sorgen.
„Keine Ahnung“, antwortete Hirschfeld und beobachtete, wie Hellmann die Hände hinter dem Rücken verschränkte und seinen Körperschwerpunkt gefährlich nach vorne verlagerte.
„Vielleicht hat er gerade eine heiße Spur entdeckt“, witzelte Kirchhoff.
„Sieht mir eher nach einem Projekt von Jugend forscht aus: ‚In welchem Winkel müssen Oberkörper und Beine zueinander stehen, um richtig auf die Nase zu fallen?‘“
Kirchhoff lächelte, dann erwiderte er:
„Komischer Vogel. Manchmal weiß ich wirklich nicht, was in seinem Kopf vorgeht.“
„Ich für meinen Teil will es lieber gar nicht wissen.“
In diesem Moment schlug der Leichenspürhund an. Augenblicke später brach der Belgische Schäferhund wieder aus dem Gebüsch. Die Beamtin schüttelte den Kopf und kehrte zum Kofferraum ihres Dienstfahrzeugs zurück, um den Schäferhund wieder in seine Box zu lassen.
„Fehlanzeige“, sagte Kirchhoff.
„Unser vierbeiniger Freund ist sicher auf die Stelle gestoßen“, schloss Hirschfeld, „an der Susanne Bach aufgefunden wurde.“
Bei jedem Einsatz brauchten die Diensthunde ein Erfolgserlebnis. Falls sie nicht fündig wurden, gab man ihnen am Ende der Suchaktion ein Spielzeug, an dem der Zielgeruch haftete. Die Suche hatte jedoch gerade erst begonnen. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie endgültige Gewissheit hatten.
„Nummer zwei geht an den Start“, sagte Kirchhoff, als die Beamtin die rechte Box öffnete und eine zierliche Hündin entließ, die einen tänzelnden Gang hatte.
Im Gegensatz zum Rüden schien das Tier noch jung zu sein. Auch das Fell war deutlich heller. Für einen Moment blickte die Hündin aus sanften dunkelbraunen Augen in ihre Richtung. Wenn er nicht so verdammt wenig Zeit hätte, dachte Hirschfeld, hätte er sich vielleicht auch einen Hund angeschafft. Neben seinem Job hatte er allerdings mit seinem Vater alle Hände voll zu tun. Und der war weitaus anspruchsvoller als ein Haustier.
„Vielleicht müssen wir die Hunde doch übers Wasser schicken“, meinte Kirchhoff, als die Diensthundeführerin die dritte Runde startete.
Dieses Mal war der Rüde wieder an der Reihe. Die Belgischen Schäferhunde wurden im 15-Minuten-Takt abwechselnd über das Areal geschickt, da ihr Geruchssinn nur für eine begrenzte Zeit intensiv einsatzfähig war.
„Bei dem Wetter wäre das eine Zumutung“, entgegnete Hirschfeld und schaute auf den Rhein, über den dichte Nebelschwaden zogen.
Speziell ausgebildete Wasserleichenspürhunde waren in der Lage, Leichen oder Leichenteile, die sich in einem Gewässer oder in Ufernähe befanden, durch aufsteigende Fäulnisgase aufzuspüren. Die Witterungsverhältnisse konnten die Suche dabei begünstigen oder erschweren: Kaltes Wetter verhinderte die Verteilung der Geruchsmoleküle, Wind bewirkte das genaue Gegenteil.
„Was hältst du von einem Kaffee?“, fragte Kirchhoff.
„Keine schlechte Idee, sonst frieren wir hier noch fest.“
Ein paar Minuten später kehrte Kirchhoff mit zwei dampfenden Thermobechern zurück.
„Danke“, sagte Hirschfeld und nahm einen der Becher entgegen.
„Habe ich irgendetwas verpasst?“
„Nein, bisher nicht“, antwortete Hirschfeld und nahm vorsichtig einen Schluck von dem heißen Kaffee. „Die Hündin ist wieder im Gelände.“
„Das kann noch eine Weile dauern“, erwiderte Kirchhoff und legte die Stirn in Falten. „Soweit ich mitbekommen habe, hat Schröder angeordnet, dass auch das Grundstück vom Römerbad abgesucht werden soll.“
Hirschfeld zog die Schultern hoch und nickte. So lange würden sie es in der Kälte sicher nicht aushalten. Plötzlich drang ein helles Bellen zwischen den Eibensträuchern hervor. Kurz darauf trabte die Schäferhündin wieder in ihr Blickfeld. Sie wedelte mit dem Schwanz und zog heftig an der Leine. Die Diensthundeführerin stapfte hinter ihr her, hob den rechten Arm und reckte den Daumen: Die Hündin hatte eine weitere Leiche angezeigt.
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Du kannst so lange auf mich einreden, wie du willst. Ich hör dir einfach nicht zu. Denk
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