Seelengrab (German Edition)
die erste Bahn über die gekennzeichnete Stelle gezogen hatte.
„Sie müssen sich noch etwas gedulden“, erwiderte Friedrichs und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Georadar basiert auf einem elektromagnetischen Impulsechoverfahren. In dem roten Kasten befindet sich eine breitbandige Dipolantenne, die nicht nur als Sender, sondern auch als Empfänger fungiert. Die über einen Impulsgenerator ausgestrahlten Radarwellen werden in die Erde gesandt. Wenn diese auf Trennflächen und Homogenitätssprünge treffen …“
„Also ein Gegenstand, der eine andere Dichte hat als das Erdreich?“, hakte Kirchhoff nach.
„Richtig. Also wenn die Radarwellen auf Material- und Schichtgrenzen stoßen“, nahm Friedrichs den Faden wieder auf, „wird das reflektierte Signal von der Empfangsantenne registriert. Laufzeit und Intensität werden gemessen und geben Aufschluss darüber, wie weit das Objekt vom Empfänger entfernt ist und welche Maße es hat.“
„Verstehe ich das richtig: Je länger das Signal braucht, bis es auf einen Gegenstand trifft, desto tiefer ist dieser im Boden vergraben?“, wollte Hirschfeld wissen.
„Genau. Und je stärker das Signal, desto größer das betreffende Objekt. Und dieser Prozess dauert eben seine Zeit.“
Als der Geologe die zweite Bahn über das unwegsame Gelände absolviert hatte, fuhr er fort:
„Ein Vorteil dieser Methode ist, dass wir das Radarsignal bereits während der Messung über den Monitor beobachten können. Eine endgültige Auswertung kann natürlich erst nach einer Digitalisierung der Daten über einen Rechner erfolgen, aber eine erste Einschätzung ist bereits jetzt möglich. Sehen Sie selbst!“
Friedrichs drehte die Steuereinheit um. Drei Köpfe beugten sich über den LCD-Bildschirm, auf dem eine Grafik aus verschiedenen wellenartigen Linien zu sehen war.
„Sie haben hier das Radargramm vor sich.“
Friedrichs blickte auf den Monitor hinab und zeigte mit dem Finger auf die Mitte des zweidimensionalen Bildes:
„Diese Amplituden hier deuten zweifellos darauf hin, dass in etwa 90 Zentimetern Tiefe ein kreisförmiges Objekt mit einem Durchmesser von rund 1,10 Metern liegt.“
Schröder nickte bedächtig, dann gab er dem Einsatzleiter des Technischen Hilfswerks ein Zeichen:
„Wir können mit der Grabung beginnen.“
Kurz darauf bahnte sich ein Kleinbagger des THW einen Weg durch das abgesperrte Gelände. Das Kettenlaufwerk wälzte sich über den gefrorenen Boden. Bei jeder Unebenheit schaukelte der Fahrer, der in einer dunkelblauen Uniform mit gelben Reflektorstreifen steckte, in der engen Kabine hin und her. Mehrere Helfer des THW postierten sich vor den Eibensträuchern. Als der Fahrer mit der Baggerschaufel den ersten Stich setzte, tauchte die hagere Gestalt von Professor Stein aus dem Nebel auf. Der Rechtsmediziner bewegte sich langsam auf die Gruppe zu, als fürchte er, mit jedem Schritt in einen Abgrund zu stürzen.
„Das Wetter behagt mir nicht“, rief er den drei Kriminalhauptkommissaren zu, um den Kompressor des Baggers zu übertönen, und schüttelte unwillig Kopf.
„Die Leichenspürhunde scheinen die Einzigen zu sein, denen die Kälte nichts anhaben kann“, stimmte Kirchhoff dem Professor zu, als er zu ihnen aufgeschlossen hatte.
„Wie sieht es aus?“, richtete Stein das Wort an Schröder.
„Nach der Georadarmessung liegt die Leiche knapp einen Meter unter der Oberfläche“, antwortete der Leiter der MK heiser.
Stein warf einen Blick nach oben und erwiderte:
„Ich hoffe, dass das Wetter noch etwas mitspielt. Schnee können wir jetzt nicht gebrauchen.“
Der Kleinbagger hatte die oberste Erdschicht aufgebrochen und ließ den Boden bei jedem Manöver unter ihren Füßen vibrieren. Träge senkte sich die Schaufel immer wieder hinab, pflügte mit ruckartigen Bewegungen über den Grund und lud die Erde neben der Markierung ab. Dabei lösten sich kleinere Steine und prasselten hinunter. Der Baggerführer musste vorsichtig vorgehen, damit er den Inhalt des Grabes nicht in Mitleidenschaft zog. Zwei Helfer des THW, die mit Spaten und Spitzhacke ausgerüstet waren, dirigierten ihren Kollegen daher durch Handzeichen und Zurufe vom Rand der flachen Grube. Als die Baggerschaufel auf Widerstand stieß, röhrte das Getriebe auf. Der Mann mit dem Spaten sprang in die Mulde und begann, die Scholle zu bearbeiten. Mit dem Fuß trat er das Spatenblatt in die Erde und versuchte so, den Boden zu lockern. Nach wenigen Stichen winkte er seinen Kollegen
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