Seelengrab (German Edition)
heute noch zu sehen.“
Bevor Kirchhoff seinem Partner die bewusste Stelle zeigen konnte, kam Jens Schröder ihnen in einer gefütterten dunkelgrünen Winterjacke entgegen. Der Leiter der Mordkommission trug eine Ohrenmütze und hatte sich einen dicken braunen Wollschal um den Hals geschlungen, der nur noch Augen und Nasenspitze freiließ. Er sah aus, als würde er jeden Moment zu einer Nordpolexpedition aufbrechen.
„Saukälte“, brummte Schröder. Er klang erkältet. „Ich kann nur hoffen, dass du mit deiner Vermutung danebenliegst, Lutz. Denn für einen erfolgreichen ersten Angriff gibt es keine zweite Chance!“
Hirschfeld nickte. Er konnte Schröders Sorge nachvollziehen. Bei einem Außentatort durften sie kaum mit aufschlussreichen Kontakt- und Fingerspuren rechnen. Daher war es umso entscheidender, alle anderen Beweismittel zu sichern. Nach dem Leichenfund am Karnevalsdienstag hatten nicht nur die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, der Erkennungsdienst und Ermittler der Mordkommission das Areal betreten. Drei Tage später war der Fundort wieder freigegeben worden. Ab diesem Zeitpunkt hatten sich zahlreiche Schaulustige und Trauernde dort eingefunden, die Anteil an dem Tod der jungen Frau nahmen. In unmittelbarer Nähe der Stelle, an der Susannes Leichnam entdeckt worden war, befand sich ein Meer von Kerzen und Blumen. Wenn die Belgischen Schäferhunde tatsächlich weitere Leichen aufspürten, hatten sie kaum eine Chance, Spuren zu sichern, die zum Täter führten.
„Ich wünschte …“, setzte Hirschfeld an.
Bevor er weitersprechen konnte, tauchte ein Polizeihubschrauber am grau verhangenen Himmel auf, der sich ihrer Position schnell näherte. Die Männer hatten gleichzeitig die Köpfe gehoben und folgten der Flugbahn des Helikopters. Als er den Leichenfundort fast erreicht hatte, erkannte Hirschfeld, dass ein Hubschrauber vom Typ BK 117 über ihnen kreiste. Spezielle Rotorblätter sorgten dafür, dass der Helikopter beim Fliegen kaum Lärm verursachte. Den Polizeihubschrauber hatte Schröder angefordert, um Luftbildaufnahmen von Fundort und Umgebung zu machen. Unregelmäßigkeiten im Gelände, die auf das Vergraben eines Leichnams hindeuteten, waren in vielen Fällen nur aus der Luft erkennbar. Je tiefer eine Leiche verscharrt wurde, desto ausgeprägter war die sie umgebende Absenkung, da größere Mengen an Erde umgewendet worden waren, die in Bewegung geraten konnten. Außerdem gaben auch Veränderungen in der Vegetation darüber Aufschluss, ob das Erdreich umgegraben worden war. Wuchsen an einer Stelle Pflanzen, die sich deutlich von der Vegetation der Umgebung unterschieden, war besondere Aufmerksamkeit angezeigt. Denn eine andere Verdichtung der Feuchtigkeit, Durchlüftung und Temperatur des Bodens führte zu markanten Abweichungen.
„Na, bald wissen wir mehr“, meinte Jens Schröder und wandte sich wieder zum Gehen, als der grün-weiße Hubschrauber abdrehte und am Horizont verschwand.
Die Hundeführerin hatte den Rüden während des kurzen Helikopteranflugs zu ihrer Linken Platz machen lassen. Die Diensthunde waren gegen Lärm resistent, verdienten jedoch Ruhe, um ihre anstrengende Aufgabe zu bewältigen. Jetzt gab die junge Frau ein Kommando. Der Belgische Schäferhund sprang auf und lief aufgeregt vor den Beinen der Beamtin auf und ab. Sie hielt den Blickkontakt und deutete mit der behandschuhten Hand auf das Abgangsfeld.
„Es geht los“, sagte Kirchhoff und schirmte die Augen mit seiner Linken ab.
Nachdem die Hundeführerin den Suchbefehl erteilt hatte, gab sie der Leine mehr Lauf. Der Belgische Schäferhund lief schwanzwedelnd los. Sofort senkte seine glänzende schwarze Schnauze sich über den Boden. Er nahm Witterung auf. Mit gleichmäßigen Schritten folgte die Beamtin ihm über das Gelände, das in Sektoren eingeteilt worden war, um die Suche zu erleichtern.
„Woher kommen die Hunde?“, erkundigte sich Hirschfeld und sah zu, wie der Belgische Schäferhund zwischen Buschwerk verschwand.
Die Diensthundeführerin lief ihm hinterher.
„Von Schloss Holte-Stukenbrock, unserer zentralen Fortbildungsstelle für das Diensthundewesen“, antwortete Kirchhoff in reinstem Beamtendeutsch.
Hirschfeld nickte. Andere Diensthunde, die beispielsweise zum Aufspüren von Rauschgift oder Sprengstoff ausgebildet waren, standen bei der jeweiligen Kreispolizeibehörde zur Verfügung, da es lange Anfahrtswege zu verhindern galt. Im Gegensatz dazu trat, so bitter diese Erkenntnis auch
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