Seelengrab (German Edition)
Videodateien. Ist gleich fertig.“
„Gut. Außerdem benötigen wir die Daten aller Kunden, die sich – sagen wir eine halbe Stunde um den besagten Zeitraum herum – in Ihrem Haus aufgehalten haben.“
„Wie, bitte, soll ich das anstellen?“
Beier klang jetzt alles andere als begeistert. Für seine Begriffe hatte er bereits seine Schuldigkeit getan.
„Herr Beier, Ihr Kassensystem erfasst doch zumindest alle Kunden namentlich, die mit ihrer EC-Karte gezahlt haben. Das wäre ein Anfang.“
„Dazu brauchen Sie einen richterlichen Beschluss, wenn ich mich nicht irre.“
Jetzt wurde großes ‚B‘, kleine ‚Eier‘ aufsässig.
„Den sollen Sie haben“, erwiderte Kirchhoff wütend und stand auf. „Ach, und noch eins“, fügte Kirchhoff hinzu, als er die Bürotür fast erreicht hatte, „Sie sollten mehr Energie in Ihre Aufgaben als Marktleiter investieren als in die Zeit, die Sie offensichtlich mit dem weiblichen Teil Ihrer Belegschaft verbringen.“
Beier schnappte nach Luft. Bevor er etwas erwidern konnte, hatte Kirchhoff das Büro bereits verlassen. Hirschfeld erhob sich ebenfalls von seinem Platz und meinte:
„Wie stehen die Chancen, dass die Kopie der Videoaufnahmen schon fertig ist?“
Zehn Minuten später stieß Hirschfeld zu seinem Partner, der am Audi A4 Quattro auf ihn wartete.
„Peter, was war denn da drin los?“, fragte er.
„Solche Typen gehen mir einfach auf den Zeiger. Hast du die Aufnahmen?“
„Klar“, antwortete Hirschfeld und hielt eine Wechselfestplatte hoch. „Hier sind die Aufnahmen sämtlicher Videokameras drauf, die an dem Tag im Einsatz waren.“
„Pommes rot-weiß?“
„Unbedingt.“
36
Alle nennen dich ‚blondes Engelchen‘. Dabei hast du noch kaum Haare auf deinem schrumpeligen, viel zu großen Kopf. Von der ersten Minute an hab ich dich nicht gemocht. Wie du in deinem Bettchen liegst. So selbstgefällig und fett. Wenn du mal die Augen aufmachst, strampelst du nur nichtsnutzig mit den Beinen. Und dann geht das Geschrei wieder los. Dich hört man im ganzen Haus, sogar von draußen aus dem Hof. Du brüllst, als würde dich jemand an den Beinchen packen und gegen die Wand werfen. Aber es ist nichts. Du hast nie einen Grund. Vielleicht hast du manchmal Hunger, aber du wirst ständig mit Essen vollgestopft, dass mir beim Zugucken schlecht wird. Meistens isst du nur die Hälfte. Der Rest läuft dir aus dem Mund und kleckert dein Lätzchen voll. Mich wundert, dass du bei all dem Brei noch nicht festgeklebt bist.
Jetzt schläfst du. Du lutschst am Daumen. Wir sind ganz allein hier. Niemand da, der auf dich aufpasst. Ganz vorsichtig zieh ich dir das Kissen unterm Kopf weg. Du bewegst dich ein bisschen. Und der dicke Daumen rutscht dir aus dem Mund. Sabber bleibt dran hängen und zieht sich über die Bettdecke. Ich lächle, als ich dir das Kissen aufs Gesicht drücke. Erst merkst du nichts, dann fängst du an zu zappeln. Das Kissen ist so dick, dass kein Laut zu hören ist. Spüre, wie du schwächer wirst. Im letzten Augenblick überleg ich’s mir anders: Ich zieh das Kissen von dir weg. Dein Gesicht ist ganz blau, aber du atmest noch. Leg das Kissen wieder an seinen Platz zurück und betrachte dich noch eine Weile von oben. Dann flüster ich dir ins Ohr: Nimm dich in Acht, mein blondes Engelchen, ich kann jede Nacht zu dir zurückkommen.
37
Achim Noack schüttelte sein Handgelenk und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Die Pressekonferenz im Polizeipräsidium würde in knapp drei Minuten beginnen. Die Stuhlreihen rechts und links vor dem dunklen Holzpodest, auf dem vier weiße Konferenztische nebeneinanderstanden, hatten sich bereits gut gefüllt. In der Flucht dazwischen waren fünf Fernsehkameras postiert, hinter denen mehrere Kameraleute und Assistenten standen und die letzten Vorbereitungen für die Liveübertragung trafen. Mindestens ein Dutzend Kabel schlängelte sich wie Adern sternförmig aus dem Zuschauerraum über das Stäbchenparkett hoch zum Podium und mündete in eine bunte Auswahl von Mikrofonen verschiedener Fernseh- und Radiosender.
Hirschfeld und Kirchhoff saßen in der letzten Reihe und warteten wie die anwesenden Journalisten darauf, dass Noack die Pressekonferenz eröffnete.
„Jens sieht ganz schön angeschlagen aus“, sagte Hirschfeld leise in Kirchhoffs Richtung.
Schröder nahm gerade neben dem Leiter des KK 11 auf dem Podium Platz. Während Noacks weißer Haarschopf einen starken Kontrast zu der weinrot gestrichenen Wand hinter
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