Seelengrab (German Edition)
lang und glänzte. Hab mich geschüttelt vor Ekel. Überall war Blut. Klebte auf dem Asphalt. Deine Beine waren komisch verdreht. Und deine Zunge hing dir aus der Schnauze raus. Aber du hast nur so getan, nicht wahr? Hast sie alle ausgetrickst. Seh dich jetzt ganz deutlich. Du sitzt vor mir auf dem Boden und wedelst mit dem Schwanz. Dein Fell ist struppig. Und du riechst nach Regen. Kenn dich gar nicht anders. Das Blut ist weg. Bist eigentlich wie immer, glaub ich. Streck meine Hände aus und kraul dir die Ohren. Du hebst den Kopf und guckst mich mit großen Augen an. Dann leckst du mir mit deiner rosa Zunge über die Finger. Braver Hund! So ist fein. Du bist mein einziger Freund.
35
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass dein kriminalistischer Instinkt uns zu dieser Leiche geführt hat“, meinte Kirchhoff.
Es war inzwischen später Nachmittag. Sie saßen im Audi A4 Quattro und fuhren über die Kennedybrücke stadtauswärts.
„Mhm.“
„Wenn du nicht gewesen wärst“, fuhr Kirchhoff ungewohnt redselig fort, „hätten wir das Grab vielleicht nie entdeckt. Also, wenn du mich fragst …“
Hirschfeld starrte schweigend aus dem Seitenfenster.
„Hörst du mir überhaupt zu, Lutz?“
„Wie bitte?“
„Ich wollte wissen, ob du mir überhaupt zuhörst, aber die Frage hat sich wohl erübrigt.“
„Tut mir leid, ich war in Gedanken.“
„Die drehten sich nicht zufällig um Renee?“, kam Kirchhoff jetzt richtig in Fahrt.
„Die Fotografin?“
„Ja, die schöne Fotografin, wer sonst.“
Hirschfeld hatte tatsächlich an die junge Frau gedacht, die nur wenig später am Fundort eingetroffen war, nachdem Professor Stein die Überreste des Leichnams freigelegt hatte. Renee hatte Hirschfeld zur Begrüßung einen süffisanten Blick zugeworfen und sich dann wortlos an die Arbeit gemacht. Die Bergung der Leiche würde noch einige Stunden in Anspruch nehmen. Als Schröder vorhin einen Anruf aus der Leitstelle erhalten hatte, war die Wahl auf Kirchhoff und Hirschfeld gefallen, dem Einkaufszentrum, in dem Susanne Bach zuletzt gesehen worden war, einen Besuch abzustatten. Anhand ihrer Bankdaten, deren Einsicht sie der Unterstützung von Staatsanwalt Beus zu verdanken hatten, wussten sie nun, dass Susanne am Tag ihres Verschwindens tatsächlich noch für ihren geplanten Kurzurlaub eingekauft hatte. Nach dem bisherigen Kenntnisstand musste die Mordkommission davon ausgehen, dass der Besuch der Supermarktkette zu den letzten Ereignissen in ihrem Leben zählte, bevor Susanne ihren Mörder getroffen hatte.
„Soweit ich weiß, ist Renee Single.“
Kirchhoff gab nicht auf.
Wie sich das anhörte.
„Bist du jetzt unter die Kuppler gegangen?“, erwiderte Hirschfeld widerwillig.
Im Augenblick verspürte er wenig Lust, sich über sein nicht vorhandenes Liebesleben den Kopf zu zerbrechen. „Sag mir lieber, in welchem abgelegenen Winkel sich dieses Einkaufszentrum befinden soll“, wechselte er daher das Thema.
„In Pützchen.“
„Sagt mir nichts“, erwiderte Hirschfeld und sehnte sich nach einer Zigarette.
„Ja, ja, da spricht wieder der Großstädter“, scherzte Kirchhoff und bog nach rechts auf die Königswinterer Straße ab. „Allerdings wundert es mich, dass du noch nie etwas von Pützchens Markt gehört hast.“
„Da muss ich passen“, zuckte Hirschfeld mit den Schultern.
„Pützchens Markt ist der größte Jahrmarkt des Rheinlands und findet jedes Jahr im Herbst statt“, klärte Kirchhoff ihn auf.
„Aha.“
„Du scheinst nicht gerade beeindruckt, Lutz.“
„Hält sich in Grenzen. Bei solchen Großveranstaltungen muss ich immer an die Wahnsinnigen denken, die nicht wissen, wann Feierabend ist.“
„Verstehe.“
„Läuft da Karnevalsmusik?“
„Kommt vor.“
„Na, dann.“
Eine Viertelstunde später fuhr Kirchhoff auf den großflächigen Parkplatz der Supermarktkette. Um diese Uhrzeit war das Einkaufszentrum gut besucht, sodass Kirchhoff zwei Ehrenrunden drehen musste, bis er das Auto abstellen konnte. Beim Anblick der vollgeladenen Einkaufswagen, die ihnen auf dem Weg zum Eingang entgegengeschoben wurden, merkte Hirschfeld, dass er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte. Der Kaffee, den sie auf der Rheinpromenade in sich hineingeschüttet hatten, verstärkte das Hungergefühl noch.
„Ich lad dich ein“, meinte Kirchhoff, dem der sehnsüchtige Blick, den Hirschfeld in die Richtung einer Pommesbude geworfen hatte, nicht entgangen war, „wenn wir das hier hinter uns
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