Seelengrab (German Edition)
ihnen bildete, schien Schröder sich der Wandfarbe anzupassen. Sein Gesicht glühte. Hirschfeld war sicher, dass Schröder hohes Fieber hatte und seit gestern ins Bett gehörte. Doch seit dem Fund der zweiten Leiche am Rheinufer hatten sich alle ermittelnden Beamten der MK wenig Schlaf gegönnt. Schröder bildete da keine Ausnahme.
„Jens ist ein Beißer“, erwiderte Kirchhoff. „Ihm müsste schon ein Arm abfallen, ehe er sich krankmeldet.“
In diesem Moment betrat Beus den Raum und lief zielstrebig auf das Podest zu. Der Staatsanwalt trug einen seiner maßgeschneiderten dunklen Anzüge. Noack und Schröder, die in ihren Sakkos vom Vortag neben Beus noch zerknitterter wirkten, standen auf und reichten ihm nacheinander die Hand. Als sie sich setzten, verebbte das Stimmengewirr, das den Raum erfüllte. Noack nahm einen letzten Schluck Kaffee und hustete kurz in die hohle Hand.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie an diesem Nachmittag im Polizeipräsidium Bonn begrüßen“, begann der Leiter des KK 11 mit seiner kratzigen Bassstimme. „Ein besonders tragischer Anlass hat uns heute hier zusammengeführt. Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der Ereignisse, die wenige Tage und ja auch noch keine 24 Stunden zurückliegen.“
Staatsanwalt Beus rückte das Namensschild vor ihm auf dem Tisch zurecht, während der Erste Kriminalhauptkommissar mit seiner Einleitung fortfuhr:
„Wir haben es hier mit einem kaltblütigen Mord an zwei unschuldigen jungen Frauen zu tun. Bevor wir beginnen, möchte ich, auch im Namen meiner Kollegen, den Angehörigen der Opfer mein tiefstes Beileid aussprechen.“
Die Blitzlichter einiger Fotokameras flammten auf.
„Wir werden Ihnen, natürlich unter Berücksichtigung der kriminaltaktischen Aspekte, mitteilen, was wir zum jetzigen Zeitpunkt wissen. Ausgangspunkt ist der Fund von zwei Leichen, die in unmittelbarer Nähe zueinander am Rheinufer abgelegt worden sind. Das Bonner Polizeipräsidium als Tatortbehörde, die Staatsanwaltschaft Bonn, die heute von Herrn Boris Beus vertreten wird, sowie das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen haben die Ermittlungen aufgenommen. Aktuell betreiben wir noch eine sehr aufwendige und zeitintensive Spurensicherung am Rhein, um beweiserhebliche Spuren zu sichern. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass der Erkennungsdienst seine Arbeit im Verlaufe des Tages abschließen kann. Wir haben noch nicht auf alles eine Antwort, bemühen uns jedoch, Ihre Fragen so gut es geht zu beantworten. Ich bitte jedoch zu bedenken, dass wir hierbei deutlich zwischen Spekulation und Information unterscheiden müssen.“
Weiteres Blitzlichtgewitter, dann führte Noack weiter aus:
„Kriminalhauptkommissar Schröder zu meiner Linken wird Ihnen als MK-Leiter einen kurzen Abriss der Ereignisse geben. Staatsanwalt Beus wird die Ausführungen an der einen oder anderen Stelle ergänzen. Im Anschluss daran stehen wir Ihnen für Fragen zu Verfügung.“
„Vielen Dank, Achim“, ergriff Jens Schröder das Wort. „Als Erstes möchte ich festhalten, dass wir es mit einem sehr komplexen Geschehen zu tun haben, das wir zu bewerten und bearbeiten haben. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht bei jedem Detail in die Tiefe gehen, einige Aussagen müssen wir – zumindest in Teilen – unter Vorbehalt treffen. Ich bitte daher um Ihre Nachsicht.“
Schröder nahm einen Schluck Wasser, bevor er weitersprach:
„Gut, bevor ich zu den Einzelheiten komme, ein paar Worte zu den Opfern: Die jungen Frauen waren beide Anfang 20, die eine 21 Jahre, die andere 24 Jahre alt, und im Bonner Stadtgebiet wohnhaft. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen besteht zwischen den Frauen keine direkte Verbindung – soweit wir wissen, kannten sich die beiden nicht, sie sind sich weder in der Schule noch in der Universität oder bei ihren Freizeitaktivitäten begegnet. Da wir die Leichen in unmittelbarer Nähe zueinander aufgefunden haben, müssen wir annehmen, dass es sich um ein und denselben Täter handelt.“
Schröder legte eine kurze Pause ein, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, dann sagte er:
„Bei meinen weiteren Ausführungen möchte ich mich zunächst dem ersten Opfer widmen, dessen Leiche wir zeitlich gesehen jedoch erst nach dem zweiten Opfer aufgefunden haben. Am 30. September des vergangenen Jahres verschwand Lena Z. während oder nach einer Beerdigungsfeierlichkeit in Siegburg. Die Eltern hatten noch am selben Tag eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Die
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