Seelengrab (German Edition)
geb dir auch das Geld dafür“, redete er weiter und trat auf die Bremse. „Dann musst du dir nicht weiter dein hübsches Köpfchen darüber zerbrechen, ja?“
„Das ist nett von dir“, gab Jo zurück, um Zeit zu gewinnen.
Bevor sie den Satz vollendet hatte, wechselte die Ampel wieder auf Grün. Jo fluchte innerlich. Viel Zeit blieb ihr jetzt nicht mehr. Sie drückte ihren rechten Arm zwischen Sitz und Tür, um auf der Rückbank nach ihrer Tasche zu greifen. Irgendwo musste ihr Handy sein. Wenn sie es schon nicht schaffte, aus dem Wagen auszusteigen, musste sie jemanden über ihre Notlage informieren.
„Was zur Hölle …?“, knurrte er plötzlich wütend.
„Ich wollte nur nachsehen, ob ich mich vielleicht geirrt habe“, entgegnete Johanna. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
„Du undankbares Biest!“, zischte er und gab Gas. „Was bildest du dir eigentlich ein? Denkst du, du kannst mich auf den Arm nehmen? Ich weiß ganz genau, was du vorhast!“
Dann betätigte er die Zentralverriegelung.
56
Hirschfeld starrte in den Becher Kaffee, der vor ihm auf dem Schreibtisch stand. Die schwarze Oberfläche warf konzentrische Kreise, als Kirchhoff ihr Büro betrat und die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.
Es war Montagmorgen. Kirchhoff sah so aus, wie Hirschfeld sich fühlte: Sein Gesicht war aufgequollen und seine Augen glänzten fiebrig. Es war nicht zu übersehen, dass Kirchhoff die letzte Nacht durchgemacht hatte.
„Wir haben gerade die Bilder von der Beerdigung reinbekommen“, sagte er undeutlich. Seine Zunge klebte ihm am Gaumen.
„Wer kümmert sich darum?“
Kirchhoff setzte sich auf seinen Stuhl und stützte sich mit den Unterarmen schwer auf die Schreibtischplatte:
„Dreimal darfst du raten …“
„Bevor wir anfangen, solltest du dir auch einen Kaffee gönnen, Peter“, meinte Hirschfeld und deutete auf seine Tasse.
Kirchhoff winkte ab:
„Perlen vor die Säue. Ich habe bereits eine Kanne intus, ich bekomm noch einen Koffeinschock.“
„Dann helfen nur noch Streichhölzer“, meinte Hirschfeld.
Kirchhoff blickte ihn irritiert an. Dann lächelte er matt.
„Die Fotos sind bereits auf dem Server. Am besten teilen wir uns auf: Du nimmst die ersten 100 Bilder und ich die restlichen.“
„In Ordnung“, entgegnete Hirschfeld und tippte die Maus an.
Wenig später hatte Hirschfeld den Ordner mit den Fotos von Susanne Bachs Beerdigung gefunden. Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen – wenn sie keine weiteren Anhaltspunkte an die Hand bekämen. Hirschfeld klickte sich durch die Fotos. Hier und da entdeckte er ein paar bekannte Gesichter, darunter auch Christine Gerstner, die ihre blonden Dreadlocks unter einem schwarzen Tuch versteckt hatte. Sie wurde von ihrem Freund Leif Müller gestützt. Hirschfeld war den beiden am Samstag nicht persönlich begegnet. Offenbar hatten sich Susannes Mitbewohner im Hintergrund gehalten.
Nach einer Viertelstunde kamen Hirschfeld Zweifel, ob die Fotos sie weiterbrachten. Kirchhoff hatte in der Zwischenzeit seinen Vorsatz gebrochen und sich einen Kaffee aus der Teeküche geholt.
„Schon irgendetwas gefunden?“, wollte er wissen und setzte den Becher an.
Während Hirschfeld den Kopf schüttelte, wurde die Tür zu ihrem Büro aufgerissen. Hellmann tauchte im Rahmen auf. Er trug wieder einen seiner blauen Anzüge, in denen er aussah wie ein Konfirmand.
„Schon mal was von Anklopfen gehört?“, begrüßte Hirschfeld den Kriminalkommissar.
„Ist wichtig“, erwiderte Hellmann knapp und streckte ihm einen Papierausdruck entgegen, den er aus einer Akte zog.
Hellmann war tatsächlich außer Atem, dachte Hirschfeld und nahm das Blatt entgegen.
„Nach der Auswertung der Autokennzeichen können wir davon ausgehen, dass Jörg Winkler unter den Trauergästen gewesen ist.“
„Der Fotograf?“, fragte Kirchhoff und verschluckte sich fast an seinem Kaffee.
Er hatte ein gutes Namensgedächtnis.
„Noch mal fürs Protokoll: Wir reden hier über den Hauptverdächtigen im Fall Lena Zimmermann?“
„Richtig, Lutz. Ich sagte ja, dass es wichtig ist“, erwiderte Hellmann.
Hirschfeld wandte sich erneut den Bilddateien auf seinem Monitor zu. Dass Jörg Winkler vor dem Bonner Nordfriedhof geparkt hatte, besagte noch nicht, dass er die Beerdigung auch besucht hatte.
„Hast du zufällig ein Foto von Winkler in der Akte?“, wollte Hirschfeld wissen, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.
„Ja, ja, natürlich“, antwortete
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