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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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immer gedämpft. Jetzt dagegen, nur wenige Meter von dem Grammofon entfernt, vibrierten die Töne in seinen Ohren, das Musikstück durchdrang ihn und zwang ihn, auf der Treppe stehen zu bleiben. Die Melodien waren nicht traurig, sondern süß und geordnet, und dennoch riefen die schmerzvollen Missklänge, die zu Harmonien erblühten, eine überwältigende Sehnsucht in ihm hervor. Wie ein imaginärer Nachbau der Perfektion des Himmels. Er setzte sich auf eine Stufe und hielt sich am Geländer fest. Die Schönheit der Passage, präsent in jeder Dissonanz, erfüllte ihn vom Kopf bis zu den Füßen mit Reue.
    Erinnere dich, woher du gekommen bist,
sang die Musik.
Du Deserteur, der gestohlen und betrogen hat. Du kannst das fremde Fleisch schütteln und salzige Tränen weinen, doch näher als jetzt wirst du der Passage nie wieder kommen.
    Calder versuchte sich einzureden, dass das nicht stimmte. Er würde das Schlafzimmer betreten, Rasputin zurück in seinen Körper rufen, eine Tür heraufbeschwören und nach Hause gehen. Aber als er sich in die Wohnung schleppte, überkam ihn eine böse Vorahnung.
    Keine Ehefrau wartete auf ihn, was ein Segen war. Calder fragte sich, ob sie vielleicht verreist war. Vielleicht hatte sie Rasputin ja auch verlassen – angesichts seines Rufs wäre das nicht überraschend. Der Seelenhüter roch den Duft der in der Nebenwohnung köchelnden Suppe, aber die Vorstellung von Essen machte ihn benommen. Soweit er es einzuschätzen vermochte, musste ein geliehener Körper weder essen noch trinken, wofür er sehr dankbar war.
    Calder zog sich in Rasputins Schlafzimmer zurück, nahm den Schlüssel in die Hand und verbannte alle Zweifel aus seinem Geist. »Grigori Rasputin«, sagte er. »Wenn du meine Stimme hörst, so antworte.«
    Die Luft regte sich nicht, ebenso wenig wie die Schatten in den Zimmerecken.
    »Bitte komm zurück.« Calder versuchte es mit einem bestimmteren Tonfall. »Rasputin, ich fordere dich auf, in deinen Körper zurückzukehren!«
    Nichts geschah.
    Calder hoffte, eine Tür erschaffen zu können, obwohl er noch im Besitz eines gestohlenen Körpers war. Er umfasste den Schlüssel fester und sagte: »Hinter dieser Tür wartet der Himmel.«
    Er drängte sich eng an die Wand und suchte das Zimmer nach einem goldenen Schimmer und dem Umriss einer Tür ab, um sofort darauf zuzurennen, wo auch immer er erschien. Doch die Wände, der Boden, die Decke – alles war massiv und irdisch. Hastig öffnete er die Schlafzimmertür, um sich zu vergewissern, dass die ersehnte Tür nicht dahinter lag, doch ihn erwartete nur der Rest von Rasputins Wohnung.
    Calder wusste, was er zu tun hatte. Er drückte den Schlüssel an sein Herz und versuchte, seinen größten Verbündeten anzurufen. »Captain, bitte erhöre meine Gebete.«
    Wieder nur Schweigen.
    Er entschied, dass die Umgebung ihn behinderte, und stellte deshalb die Möbel um. Erst nahm er den großen Stuhl und stellte ihn vors Zimmer, dann riss er die Steppdecke vom Bett, unter der die weißen Laken sichtbar wurden. Er warf die Decke mit der Unterseite nach oben über die Kommode, damit das dunkle Holz nicht mehr zu sehen war, und nahm das oberste Laken, um es über den Schrank zu drapieren. Das Bett schob er in die hinterste Ecke des Raumes und versteckte die zwei Kissen darunter. Es war noch immer nicht so nüchtern wie sein Gebetsraum, doch besser als zuvor.
    Calder kniete sich vor das Fenster und versuchte, sich das Seufzen der Wellen ins Gedächtnis zu rufen, das er in seinem Gebetszimmer hörte. Er schloss die Augen und konnte beinahe die Helligkeit spüren, an der Stelle, wo sich die nach Westen gerichtete Tür befinden sollte, eine satte Wärme, die durch seine Lider schien. Er wünschte sich verzweifelt, der Captain möge über ihm aufragen und auf seine Beichte warten.
    »Bitte«, betete er, »bring mir Rasputin und lass mich nicht drei Nächte hierbleiben.«
    Das Geräusch der sich öffnenden Wohnungstür lenkte Calder ab. Er stürzte zur Schlafzimmertür und beobachtete eine junge Frau im vorderen Zimmer, die einen Stapel Bücher auf dem Tisch abstellte und ihren Mantel auszog.
    »Frau?« Calder hatte es nicht wie eine Frage klingen lassen wollen.
    »Du weißt doch, dass Mama in Sibirien ist.« Die junge Frau runzelte die Stirn. »Ich bin Maria, Papa.«
    Seine Tochter,
dachte Calder. Er war erleichtert, dass er nicht die Rolle des Ehemanns würde spielen müssen.
    Maria legte den Mantel über einen Stuhl. »Wie viel hast du heute

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