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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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erkundigte er sich vorsichtig.
    »Andere? O ja.« Rasputin sah fröhlich aus. »Habe sogar mit ihnen gesprochen.« Er sprang vom Fensterbrett. »Wusstest du, dass man vom Land der verlorenen Seelen aus alles und jeden auf Erden beobachten kann?«
    »Ich habe davon gehört.«
    Rasputin ging in die Mitte des Zimmers, trat mit seinem Stiefel durch den Boden und berührte das elektrische Licht an der Decke des Raumes darunter mit der Schuhspitze. Sein Geisterstiefel glitt die ersten Male durch das Licht, woraufhin er die Brauen zusammenzog und grunzend noch einmal dagegentrat. Die Lampe schwang hin und her und beruhigte sich schließlich wieder. Das Paar im Bett darunter bewegte sich, wachte aber nicht auf. Der Geistliche lächelte Calder zu, beeindruckt von seiner eigenen Vorstellung.
    Dem Seelenhüter wurde eiskalt bei dem Gedanken, dass Rasputin Frauen beim Baden nachspionierte oder kleine Kinder mit solchen Dummheiten erschreckte.
    »Man kann von Paris zur Sphinx in Ägypten und von dort weiter nach New York fliegen, langsam wie ein Vogel oder blitzschnell«, sagte Rasputin aufgeregt.
    Es gab viele Gründe, den Mann zu verabscheuen: Er hatte höchstwahrscheinlich die Ergebenheit der Zarenfamilie missbraucht und sich so besonderen Einfluss am Hof verschafft. Ohne Zweifel hatte er Alexandra falsch beraten, in einem Krieg, den er wahrscheinlich gar nicht begriff. Und er hatte offensichtlich Männer wie Frauen betrogen. All dies machte Rasputin unsympathisch, sogar abstoßend, doch am anmaßendsten fand Calder, dass er es alles im Namen der Heiligkeit getan hatte.
    Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass er den Mann nicht verachten konnte, vielleicht weil er wusste, wie leicht man ein Gott gegebenes Versprechen brechen konnte. Eigentlich mochte er ihn sogar. Rasputin besaß die befremdliche Fähigkeit, sich des Lebens zu erfreuen, und eine kindliche Neugier auf den Tod. In seinen Augen lag keine Reue. Calder beneidete ihn und fragte sich, wie es wohl war, frei zu leben und nichts auszulassen, aus der Angst heraus, die Kerze des Lebens könnte zu schnell abbrennen.
    »Man kann schneller als ein Zug durch das Land reisen, und kein Soldat vermag einen zu stoppen«, fuhr Rasputin fort. »Wir können sogar zum Mond fliegen oder uns unter der Erde bewegen. Gestern bin ich auf einem Zebra geritten.«
    Wir
hatte er gesagt. Calder beobachtete, wie Rasputin durch das Zimmer schlenderte. Er hatte gesagt,
wir
könnten uns unter der Erde bewegen.
    »Wir können über den Wolken fliegen oder durch die Meere. Mit den Walen schwimmen oder durch sie hindurch, vom Maul bis zum Schwanz, durch sämtliche Rippen.«
    »Bist du mit anderen Seelen geflogen?«, fragte Calder.
    »Nicht oft.« Rasputin setzte sich neben seinen Begleiter auf das Bett. »Mit vielen kann man nicht so leicht sprechen. Manche sind sehr wütend. Sie reden nur mit einem, wenn man ihnen zustimmt. Andere sind verängstigt und laufen weg. Einige sind verrückt. Die sind am amüsantesten.«
    Calder war übel. Es war gefährlich für Rasputin, sich mit den verlorenen Seelen abzugeben.
    »Hast du ihre Begleiter gesehen?«, fragte Calder.
    »Wen?« Dann lachte Rasputin. »Oh, solche wie dich?«
    Calder nickte bestätigend.
    »Ja«, sagte Rasputin knapp dazu. »Ich habe eine Nachricht für dich«, wechselte er das Thema.
    »Von wem?«, sagte Calder. »Vom Captain?«
    »Nein, von einer der Eskorten.«
    Calder verspürte heftiges Heimweh. »Wie lautet sie?«
    »Du sollst die Welten wieder ins Gleichgewicht bringen. Die Welt der Lebenden und das Land der verlorenen Seelen. Du hast großen Schaden angerichtet, als du deinen Posten verlassen hast.«
    »Was kann ich tun, um alles wieder ins Lot zu bringen?«
    »Du musst eine Seele überreden, die Passage zu betreten«, sagte Rasputin, »und die Kinder retten.«
    »Ich soll jemanden überzeugen, mein Lehrling zu werden?«, fragte Calder. Dies leuchtete ihm sofort ein. Er war wegen eines Lehrlings gekommen, weshalb er auch mit einem zurückkehren musste. »Welche Kinder soll ich retten?«, fragte er weiter. Seine Gedanken wanderten zu Alexis, doch der Junge schien vollkommen sicher zu sein. Er befand sich in einem bewachten Palast und hatte sogar einen Marineangehörigen als Leibwächter.
    »Woher soll ich das wissen?«, antwortete Rasputin. »Das ist deine Angelegenheit.«
    Calder wollte unbedingt mit dem Begleiter sprechen, der Rasputin die geheimnisvolle Nachricht übergeben hatte. »Warum kann ich die wandernden Seelen und

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