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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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war. Seine Augen funkelten leidenschaftlich, waren jedoch voller Angst. »Mein Junge«, wiederholte er. »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Nein«, antwortete Calder. »Alles wird gut.« Er erinnerte sich, dass er, als Rasputin seinen Schlaf unterbrochen hatte, sein Sehvermögen durch Konzentration auf ein bestimmtes Objekt wieder hatte herstellen können. Er wollte nicht Anas oder Alexis’ Schädelknochen unter ihren Gesichtern sehen oder ihre Augäpfel, die unter unsichtbaren Lidern erzitterten. Deshalb blickte er starr auf die Wand hinter dem Seemann und konzentrierte sich auf die Farbe, die sie haben sollte – ein verblasstes, verschmutztes Blau. Langsam wurde alles wieder normal.
    »Nein, es wird nicht alles gut.« Der Seemann war verängstigt und blickte hastig über die Schulter. »Mein Junge braucht mich«, flüsterte er. Er begann zu weinen, doch die ganze Zeit suchte er mit den Augen den Raum ab, als wäre es der Horizont. »Er ist so groß«, der Mann hielt eine Hand auf Hüfthöhe, »und er ist ganz in Weiß gekleidet.«
    Calder hatte Mitleid mit dem Vater, der von seinem Kind getrennt war und nicht verstand, dass er tot war. Ob sein Sohn auch gestorben war oder noch lebte, spielte keine Rolle. Der Mann musste von seiner Suche ablassen und seinen Begleiter finden.
    »Sucht jemand nach
dir?
«, fragte Calder.
    »Ich kann mich vor ihnen verstecken.«
    »Versteck dich nicht. Sie wollen dir helfen.«
    »Nein.« Der Seemann blickte sich wieder im Raum um. »Sie sagen, sie seien Wächter, aber sie sind seine Feinde.«
    Die Angst des Mannes bereitete Calder Übelkeit. Er setzte sich auf und sah nach den Kindern, die beide noch fest schliefen. »Gott kümmert sich jetzt um deinen Sohn«, versuchte er den Mann zu beruhigen.
    »Ich kann für seine Sicherheit sorgen«, flüsterte der.
    »Ich folge ihm, so dass ich ihn auffangen könnte, aber nicht so nahe, dass er davonläuft. Verstehst du?«
    Der tiefverzweifelte Mann griff in seine Tasche und streckte dann Calder die Hand hin. Ein silbernes Kruzifix baumelte an einer dünnen Kette zwischen seinen Fingern. »Sie haben versucht, ihm das hier wegzunehmen«, erklärte er. »Aber ich habe sie aufgehalten. Nun wollen sie mich töten.«
    »Demjenigen, der nur nach dir ruft, kannst du ruhig vertrauen.« Calder freute sich, dass die verlorene Seele für sich selbst dachte und als Individuum sprach, dass sie sich nicht mit den anderen Verlorenen vermengte.
    »Sie sind im Hof und im Haus. Sie gehen einfach, ohne anzuklopfen, in die Schlafzimmer.« Der Mann zog sich in die Wand zurück, so dass sich nur noch eine Schulter und ein Ohr im Raum befanden. »Sie haben sogar das Licht ausgesperrt«, flüsterte er. »Mein Junge braucht Luft.«
    »Gott beschützt ihn«, sagte Calder. »Er ist sicher.«
    »Sie verstehen ihn nicht.« Dann zog sich der Mann ganz zurück und lauschte. »Ich kann meinen Jungen atmen hören.«
    * * *
    Calder öffnete die Augen. Obwohl es draußen dunkel war, war der Raum in ein seltsames Licht getaucht, als ob ein schwacher Nebel um das Bett herum schwebte. Als er die Lampe einschaltete, verschwand die Erscheinung. Ana und Alexis schliefen noch, und auch die Sänger waren wohl zu Bett gegangen, denn es herrschte Totenstille.
    Wenn verlorene Seelen in meine Träume eindringen und mit mir reden können,
dachte Calder,
wenn sie durch einen schlafenden Sterblichen sprechen und Glühbirnen zerspringen lassen können, warum sollte ich dann nicht in die andere Richtung gelangen und zum Captain durchdringen können?
    Calder stand auf und kniete sich auf den Boden.
Mein Captain,
betete er,
erhöre mich.
Viele Male rief er stumm nach seinem Captain, erhielt aber keine Antwort. Verzweifelt verschränkte er die Hände und presste die Augen so fest zusammen, dass Lichtblitze hinter seinen Lidern zuckten und seine Gebete störten. Er wiegte sich auf den Knien vor und zurück, flehte Gott stumm an, sich seiner zu erbarmen.
    Statt des Captains sah er die Spielhalle und die Erinnerungsfetzen, die dort wieder aufgetaucht waren. Allerdings hatten sie sich verändert. Ein dünner Hund lag auf Calders Füßen und drückte den knochigen Rücken an seine Knöchel. Pincher rannte die Docks entlang und drehte sich grinsend zu ihm um, bevor er unter den geteerten Pfosten eines verfaulenden Piers verschwand. Die hohe Decke der Spielhalle verwandelte sich in die Bögen eines Kreuzganges, in dem das Geräusch der Blechschlüsselpfeife zum nachdenklichen Ruf einer Flöte wurde.
    Ein Kloß

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