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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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fielen.
    »Wir gehen«, sagte Calder. »Jetzt.«
    »Ist das ein Erdbeben?«, fragte Alexis.
    »Was hast du da gerade gesehen?«, fragte Ana.
    Ein tiefes Geräusch wie tausend gleichzeitig klappernde Fenster wuchs sich zu einem Brüllen aus. Calder trieb die Kinder, Alexis mit ungebundenen Schuhen und Ana, die noch schnell ihren Hut aufsetzte, hinaus auf die dunkle Straße. In diesem Moment stürzte eine elektrische Straßenlaterne vor ihnen um, Funken stoben heraus, während die drei davonrannten. Er konnte die Kinder nicht zu ihrer Familie bringen, was das Naheliegendste gewesen wäre – ihre Eltern und Geschwister waren schließlich bereits tot. Die Erdstöße wurden schwächer, doch Calder rannte weiter.
    »Habt ihr Onkel oder Tanten?«, fragte er drängend.
    »Meinst du Onkel George?«
    »Ja, Onkel George«, erwiderte Calder. Er eilte mit ihnen eine Straße entlang, die hoffentlich zum Bahnhof führte. Menschen schauten aus Fenstern und Türen und blickten auf gesprungene Gehsteigplatten, zerbrochene Fensterscheiben, umgestürzte Zäune. »Ich muss euch zu eurer Familie bringen. Wo ist Onkel George?«, fragte er.
    »Wo?« Alexis lachte kurz auf.
    »In England«, antwortete Ana.
    Calder vermisste es wirklich, wie ein Begleiter einfach durch eine Tür gehen und damit die Distanz zwischen Amerika und England überwinden zu können. »Wir müssen also das Land durchqueren, bis ganz in den Osten, und von dort aus über den Atlantik fahren«, sagte er seufzend.
    »Wer verfolgt uns?«, fragte Ana.
    »Einige verlorene Seelen«, erklärte er.
    »Geister?«, fragte Alexis.
    »Vielleicht sollten wir nicht davonlaufen«, sagte Ana, »sondern uns ihnen stellen.«
    Calder bewunderte ihren Mut, aber er glaubte Rasputin. Es war eine seiner Aufgaben, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen: die Kinder zu retten.
    Er hielt ein vorbeifahrendes Auto an, um nach dem Bahnhof zu fragen, und der Fahrer nahm sie gleich dorthin mit. Dort kaufte er Fahrkarten für alle drei. Als sie am Bahnsteig auf die Abfahrt ihres Zuges warteten, stand Calder vor der Bank, auf der Ana und Alexis saßen, und suchte wiederholt die Umgebung nach Zeichen von Dunkelheit ab, die ihnen folgten könnte.
    »Wer hat dich in deinem Traum verfolgt?«, fragte Ana ihren Bruder.
    »Ich konnte im Dunkeln nichts sehen. Und ich bin ja weggerannt.«
    »Was wollte er dir geben?«, fragte sie weiter. Dann sagte sie aufgeregt: »War es etwa der Schlüssel?«
    »Nein. Ich glaube, es war ein Kreuz an einer Kette.«
    Calder setzte sich auf die Bank, als ihm etwas klarwurde. »Natürlich! Alexis ist der Junge.«
    »Was hast du gerade gesagt?«, fragte Ana.
    Der Seemann hatte gar nicht seinen Sohn gesucht. Er diente bei der Marine, hatte Alexis gesagt, getötet von den Feinden des Zaren. Calder wollte es dem Jungen nicht sagen – er fürchtete, es könnte ihn zu sehr treffen, wenn er erfuhr, dass sein geliebter Gefährte im Land der verlorenen Seelen umherirrte, anstatt sicher im Himmel zu sein. Er hatte den Mann gesehen, als er noch am Leben war, fiel ihm wieder ein. Er hatte auf dem Korridor vor der Bibliothek des Katharinenpalastes auf Alexis gewartet. Das war die verlorene Seele, der er in den Himmel helfen sollte, doch er hatte versagt. Calder würde sich jedoch an den Namen erinnern, falls ihn die Seele erneut besuchte. Die Chance war größer, den Mann zu überreden, sich seinem Begleiter zu ergeben, wenn er ihn beim Namen nannte – Nagorny.

25.
    A na und Alexis blieben lange wach und betrachteten die Landschaft, die sich von Palmen und verbrannten Hügeln zu einer farbenfrohen Wüste und entfernten Bergketten wandelte. Sie saßen sich gegenüber an einem breiten Fenster. Der Zug schaukelte so gleichmäßig, dass Calder nicht verwundert war, dass sie bald einschliefen. Er selbst blieb wach, passte auf, horchte und erwartete den Geruch nach versengtem Haar.
    Aus irgendeinem Grund musste er an Liam denken.
Steh nicht zitternd in der Ecke,
hatte sein Lehrmeister ihm an seinem ersten Todesschauplatz gesagt.
Niemand will einem Feigling folgen. Du hast nichts zu fürchten – du bist schon tot.
Liam hatte ihn gewarnt, dass er, wenn ein Begleiter zu lange brauchte, seine Pflichten zu erlernen, anfangen würde zu glühen. Dieses Phänomen, auch Erstrahlen genannt, war eine Botschaft an den Captain, dass Probleme im Anzug waren. Das machte Calder nur noch nervöser – er wollte schnell lernen. Gemeinsam mit dem großen Schotten hatte er auf den Körper eines

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