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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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blutender Wange und zerbrochenen Brillengläsern.
    »Was ist los?«, fragte Ana von ihrem Sitz aus.
    Sie hatten nichts gemerkt. Er hatte auf die Hilfe des Captains gehofft, doch es gab kein Anzeichen für ein himmlisches Eingreifen. Calder setzte sich neben sie.
    »Wir sind fast da«, sagte er so ruhig wie möglich.
    Als sie die Bäume hinter sich ließen, strömte Tageslicht in das Abteil, und die Kinder schirmten ihre Gesichter ab, worüber Calder sich wunderte.
    Alexis erklärte ihm ihr Verhalten. »Es brennt.«

28.
    I st das der Puder, oder gehört es zum Erstrahlen?«, fragte der Junge.
    Calder wusste es nicht.
    »Das ist nicht der Puder«, sagte Ana. »Ich glaube auch nicht, dass es das Licht ist. Es könnte die Luft sein.«
    »Wie Fieber«, erklärte Alexis.
    Ana holte den Puder hervor und bedeckte jedes Stück sichtbare Haut mit einer extra Schicht, was zu Calders Erleichterung ausreichte. Die Vorstellung, das Erstrahlen könnte ihnen schon bald Schaden zufügen, quälte ihn. Er würde sie nicht retten, wenn er sie in Sicherheit brachte. Die Kinder verstummten. Die kleinen Steinwälle und Zäune zogen verschwommen an ihnen vorbei, und die grünen Hügel wurden von Wolken beschattet, von denen Calder hoffte, dass sie natürlich waren.
    Als sie in King’s Lynn eintrafen, wiesen Ana und Alexis ihm den Weg zum Anwesen ihrer Verwandten über Seitenstraßen. Nach weniger als einer Meile, auf der sie kaum einen Vogel oder einen Fuchs gesehen hatten, geschweige denn ein Auto, kamen sie an einem wundervollen Landsitz mit Park und hohen Hecken vorbei, der mit Stacheldrahtschlingen gesichert war.
    »Glaubst du, dass man Onkel George genauso gefangen hält wie uns?«, fragte Alexis.
    »Sei nicht albern«, antwortete seine Schwester. »Das gilt nur bei einem Angriff. Sie befinden sich im Krieg.«
    Bald verließen sie die Straße und wanderten durch die Wälder. Alexis führte sie in einen Wald aus Buchen und Eichen, wo die Bäume den leichten Regen abhielten.
    »Ich bin nervös«, sagte Ana.
    Alexis fragte unvermittelt: »Was war das noch für ein Gedicht, das Johnnie ständig aufgesagt hatte?«
    »Arthurs Tod«,
sagte sie lächelnd.
    »Weißt du, wie der Text geht?«
    »Nicht aus dem Gedächtnis.«
    »Kennst du ein Gedicht?«, fragte der Junge Calder.
    Ein Begleiter-Psalm wäre sicherlich fast dasselbe, weshalb der Begleiter den dritten Psalm aufsagte, während sie weiter durch den Wald gingen.
    Fürchte dich nicht, denn du wirst nie allein sein;
    Jedes Kind einer Frau wandelt eine Weile auf Erden,
    Egal ob über Kleeblätter oder Stein,
    Schritt für Schritt kommt es der Passage näher.
    Löse dich aus der Hülle und nimm die dargebotene Hand;
    Im Verborgenen gibt man dir die heilige Gabe.
    Staub von Seinem Staub, Fremder in diesem Land,
    Wache und höre die Musik seines Himmels.
    Komm und schließ dich dem unausweichlichen Marsch an.
    Geh durch den schillernden Bogengang.
    »Wunderschön«, sagte Ana.
    »Gruselig«, lautete Alexis’ Kommentar. »Ich mag es.«
    »Wir sollten als Erstes mit Johnnie sprechen«, schlug Ana vor. »Er wird uns akzeptieren. Er glaubt an Zauberei.«
    »Wie wollt ihr euren Cousin finden, bevor seine Eltern euch bemerken?«, fragte Calder.
    »Er lebt in einem eigenen Cottage«, sagte Alexis.
    »Warum?«
    »Du weißt schon, weil er so anders ist.«
    Calder verlangsamte seinen Schritt, als die Baumstämme über ihm verschmolzen und der Wald in Dunkelheit versank. Er wusste, dass es sich um eine seiner Erinnerungen handelte, als keines der Kinder aufschrie. Während er weiter unsicher durch den Wald stapfte, kauerte er zugleich in einem Keller, dessen Geruch ihm nun in die Nase stieg. Es war nicht der angenehme Erdgeruch eines Farmhauskellers, sondern der schimmelige, schleimige Gestank nach einem Loch mitten in der Stadt. Er war so klein, dass er sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um an den Türgriff zu kommen, der jedoch festgebunden war. Seltsamerweise konnte Calder immer noch hören, wie sich Ana und Alexis unterhielten.
    »Mutter hätte so etwas nie zugelassen«, sagte Ana.
    »Wenn es mir gutging, habe ich vollkommen normal gewirkt und gesehen«, entgegnete Alexis aufgebracht. »Doch wenn ich wie Johnnie gewesen wäre, wer weiß? Vielleicht hätten sie mich dann auch weggeschickt.«
    »Alexis!«, schalt Ana. »Du weißt genau, dass Mutter es nicht ertragen hat, von dir getrennt zu sein.«
    Calder blieb stehen, da er den Boden vor seinen Füßen nicht mehr sah, und zuckte beim

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