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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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wirst du doch, oder?«
    »Natürlich wird er das«, sagte Ana energisch. »Wie sollten wir sonst in den Himmel kommen?«
    Calder hatte ihnen zwar erzählt, dass er sie an einen sicheren Ort bringen musste, aber die ganze Wahrheit hatte er ihnen bisher verschwiegen – dass er sie um ihrer eigenen Sicherheit willen würde verlassen müssen, um die verlorenen Seelen so weit wie möglich von ihnen fortzulocken, bevor er sich ihnen stellte.
    Alexis klopfte an die Tür des Cottages, erhielt jedoch keine Antwort. Ana probierte den Türknauf – es war nicht verschlossen. Das Haus war schlicht, kein Ort, an dem man sich einen Prinzen vorstellen würde. Leise gingen sie durch die Räume, in denen Blumen in den Vasen vor sich hin welkten und ein aufgeschlagenes Buch mit einer Lesebrille auf einem Tisch lag. Es war schwer zu sagen, wann das letzte Mal jemand hier gewesen war.
    »Sie machen sicher einen Spaziergang«, sagte Ana.
    »Oder sind in den Ferien«, warf Alexis ein.
    »Dann wäre das Haus nicht unverschlossen.«
    Am Waldrand ballte sich schwarzer Nebel zusammen, der langsam den Hügel hinunter auf das Cottage zurollte.
    »Verriegle die Tür hinter mir und öffne sie erst wieder, wenn dein Cousin zurückkommt«, sagte Calder zu Ana.
    »Wohin willst du?«, fragte Alexis.
    Der Seelenhüter ging von Fenster zu Fenster und verschloss sie sorgfältig, während er sagte: »Die verlorenen Seelen sind wütend und verfolgen mich. Ich muss sie um eurer Sicherheit willen von euch weglocken.«
    Die beiden Kinder folgten ihm in Küche und Schlafzimmer.
    »Wer wird für deine Sicherheit sorgen?«, fragte Ana.
    »Ich kann nicht getötet werden.«
    »Wir auch nicht.«
    »Aber wir können verletzt werden«, warf Alexis ein.
    Calder wandte sich in Richtung Vordertür, doch Ana packte ihn am Arm. »Was wirst du tun?«
    Als er ihr in die Augen sah, fürchtete er, ihr alles über die Natur und die unvorhersehbare Kraft des Dämons zu erzählen, dem er sich bald stellen würde. »Ich werde sie hereinlegen und wegschicken«, antwortete er.
    »Danach kommst du zu uns zurück?«, fragte der Junge.
    »Ich komme dann, wenn es sicher ist«, versprach er, womit Alexis sich zufriedengab.
    Ana dagegen durchschaute die Maske der Tapferkeit. Er wollte sich verabschieden, da er nicht sagen konnte, wie lange er weg sein würde, doch er wusste, dass dies keine gute Idee war. Als er die Tür öffnete, wollte Alexis sie gleich hinter ihm schließen, doch Ana funkelte ihn mit in die Hüften gestemmten Fäusten an, das starrköpfige, schelmische Kinn vorgereckt. Sie war drauf und dran, ihn einen Lügner zu nennen, fürchtete Calder.
    Schnell trat er aus dem Haus und zog die Tür hinter sich zu. Nachdem er gehört hatte, wie innen der Riegel vorgelegt wurde, wandte er sich der Schwärze zu und hastete den Hügel hinauf.
    Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, als er sich auf der Anhöhe dem schwarzen Nebel näherte. Er wünschte, er könnte ihn so einfach verscheuchen wie einen Schwarm Krähen. Die nach Rauch stinkende Wolke umfing ihn, als er in den Wald eilte, die Schatten begleiteten ihn flüsternd. Als er sich nach rechts wandte, war da nur die Schwärze eines Baumstumpfes und zu seiner Linken die Dunkelheit eines Brombeerstrauchs. Mit jedem Schritt, den er sich von dem Cottage entfernte, wurden die Schatten tiefer und umschlossen ihn enger. Er fühlte sich von den Sträuchern und Zweigen nicht nur beobachtet, sondern sogar beschnüffelt. Eigentlich wollte er die verlorenen Seelen noch weiter von dem Cottage weglocken, doch er spürte ihren eisigen Atem im Nacken und beschloss, sie besser jetzt herauszufordern, als später von einem Angriff überrascht zu werden.
    »Zeigt euch, wenn ihr so mächtig seid«, sagte Calder bestimmt. Der Wind peitschte ihm Blätter und Erde ins Gesicht, die Baumwipfel zischten bedrohlich. Blitze zuckten in seiner Nähe, und kurz darauf stank es nach verbranntem Haar. »Offenbar ist es so, wie ich es mir gedacht habe – ihr könnt die Welt der Lebenden nicht durchdringen.« Bei diesen Worten erbebte der Baum neben ihm, schwoll an und quietschte wie ein grüner Ast im Feuer, bevor er aufplatzte und in zwei Teile zersprang, das rohe Mark warf kochend Blasen, heißer Pflanzensaft spritzte hervor. Calder trat zurück, aufgewühlt von dieser Verderbtheit, ein sicher hundert Jahre altes Werk Gottes so auszuweiden. Es machte ihn richtiggehend wütend.
    »Mehr bringt ihr nicht zustande?«, rief er herausfordernd. Doch bevor er sich

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