Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
was sie für ein Problem haben? Ich könnte ihnen besser helfen, wenn ich wüsste, worum es geht!“
„Würdest du ihnen auch sagen, wieso du früher diesem einen Jungen hinterhergelaufen bist?“
Ich riss mich los.
„D-das ist doch schon so lange her!“, spielte ich das Ganze herunter.
Doch Chaff kannte mich besser. Er lächelte.
„Außerdem ist das was ganz anderes!“, fügte ich hinzu.
„Ist es das? Für sie ist es vielleicht genauso privat wie für dich dieses Erlebnis. Denk mal darüber nach!“
Er stand auf und lief zur Tür. Bevor er das Zimmer verließ, rief ich ihm hinterher.
„Ich möchte ihnen immer noch wehtun!“
Chaffs Lächeln wurde breiter. Er zeigte sogar seine Zähne, ganz ungewöhnlich für ihn.
„Dann nehme ich an, dass eine einfache Entschuldigung von beiden wohl nicht viel ändert?“
Ich schüttelte den Kopf. Dann ging Chaff aus dem Raum hinaus. Ich blieb auf dem Bett sitzen. Ich wandte mich von der Tür ab und sah zum Fenster hinaus. Die Sonne war schon hinterm Horizont verschwunden und ein paar Sterne funkelten am Nachthimmel.
So blieb ich eine Weile sitzen. Doch dann wurde es zu still für mich und ich rang mich dazu durch, wieder zu den anderen nach unten zu gehen. Aber vorher kämmte ich meine Haare mit den Fingern durch, wischte mein Gesicht gründlich ab und strich meine Kleider glatt.
Wieso tat ich das bloß? Es würde doch mehr bringen, wenn ich völlig aufgelöst nach unten ginge. Ich schüttelte den Gedanken ab und straffte die Schultern. Dann öffnete ich die Tür und ging die Treppe hinunter.
Die Professoren saßen gemeinsam über einem Stapel Schriftrollen und murmelten sich irgendetwas zu. Own und Chaff diskutierten über ein anscheinend spannendes Thema und Jason und Alec saßen schweigend nebeneinander und starrten auf die Tischplatte vor sich.
Als ich den Raum betrat, hoben alle den Kopf und sahen auf. Sie schienen erfreut zu sein, dass ich ihnen wieder Gesellschaft leistete. Trotzdem setzte ich einen harten Blick auf und vermied jeden Blickkontakt mit Alec und Jason. Ich ging um den Tisch herum und setzte mich auf den Sessel, auf dem Taek immer so gerne saß. Ich entdeckte das Buch über Seelenjäger, das Taek mir eigentlich geschenkt hatte, ich aber bei Bram liegen gelassen hatte. Ich hatte den Drang, es in die Hand zu nehmen und weiterzulesen, unterdrückte jedoch dieses Bedürfnis und schnappte mir ein anderes Buch. Sein Titel lautete Mernouns Reisen durch die Welt, gesammelt und aufgeschrieben von Mernoun Dotterbart . Ich fand den Namen des Schriftstellers lustig. Dann schlug ich die erste Seite auf und begann zu lesen.
„Auf meinen vielen Reisen durch das Land Samalia habe ich etliche eigenartige Dinge gesehen und möchte euch nun von meinen Erlebnissen und den Ereignissen erzählen, die ich mit vielen freundlichen und liebenswerten Wesen geteilt habe.
Ich war nun schon zehn Tage unterwegs und suchte nach einem Zeichen der Nay. Endlich haben sie mich für würdig genug erachtet und mich in eines ihrer Dörfer gebracht. Sie sind ein sehr gastfreundliches und dennoch vorsichtiges Volk.
Ich lebte bei einer Familie. Sie sind alle sehr aufgeschlossen und neugierig auf meine Kultur und mein Volk. Wir haben ausgemacht, dass ich ihnen ihre Fragen beantworte, wenn sie mir meine beantworteten.
Jolan, der Vater der Familie, bei der ich wohnte, hat mich heute vor den Hohen Rat geführt. Dieser entscheidet über Gerichtsverhandlungen, Streitangelegenheiten und Gefahren, die von außerhalb bestehen. Die Mitglieder sind alle schon über hundert Jahre alt und sehr weise. Sie haben mir angeboten, mich mit ihren Gesetzen und Bräuchen bekannt zu machen. Ich habe zugestimmt. Es war sehr interessant, zu erleben, wie dieses Volk in solch einer Harmonie und Frieden lebt. Ihre Traditionen sind beeindruckend.
Zum Beispiel feiern sie eine Erntezeremonie, wenn der Sommer zu Ende geht. Dabei wird von jeder Frucht, die sie anpflanzen, jeweils eine auf einen großen runden Steintisch gelegt und geehrt. Dann versammeln sich alle Nay in einem Kreis, um die Gemeinschaft zu stärken, und danken ihrer Göttin Atahla für eine ertragreiche Ernte. Sie stimmen einen wunderschönen Gesang an in der alten Sprache ihrer Vorfahren. Es ist ein wunderbares Erlebnis und eine große Ehre, wenn man zu solch einer Erntezeremonie eingeladen wird.
Auch sehr beeindruckend ist die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Kinder haben sich zwar ihren Eltern zu beugen, haben aber auch das
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