Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
die Flecken darauf verursacht hatten, die in undefinierbaren Farben schimmerten, wollte sie lieber gar nicht wissen.
Dass der Aufzug nicht funktionierte, war ihr persönliches Pech, passte aber ins Bild. Alles an diesem Haus schien marode, verwahrlost und heruntergekommen zu sein. Der Stadtteil Buntekuh hatte trotz seines charmanten Namens keinen besonders guten Ruf, aber das Gebäude, in dem sie sich gerade befand, musste mit Abstand eines der schlimmsten sein, die das Viertel zu bieten hatte. Und das wollte etwas heißen. Schon die Fassade des Hochhauses wirkte mit ihrer angegrauten, ehemals weißen Verkleidung wenig einladend, bereitete den Besucher aber noch nicht einmal ansatzweise darauf vor, was ihn im Inneren des Hauses erwartete.
Suna fluchte leise, als sie fast in einen Kaugummi trat, den jemand kurz zuvor auf eine der Stufen aus Kunststein gespuckt hatte. Der Anzahl der festgetretenen Flecken nach zu urteilen schien das in diesem Haus der übliche Weg zu sein, Kaugummis loszuwerden.
Suna war bestimmt nicht zimperlich, was Sauberkeit anging, aber alles hatte seine Grenzen. Und die waren hier definitiv um Lichtjahre überschritten.
Nachdem sie sich den ganzen Sonntagnachmittag erfolglos den Kopf darüber zerbrochen hatte, wie der Tod von Irene Vossen mit dem ihrer Tochter zusammenhängen konnte, hatte sie beschlossen, einfach weiter in alle Richtungen zu ermitteln. Dazu arbeitete sie die Liste mit Namen ab, die Linda ihr gegeben hatte. Darauf hatte sie alle Personen notiert, die in den letzten Jahren bis hin zu Saskias Tod eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt hatten.
Die Liste war erschreckend kurz. Linda war außer ihrer Mutter Saskias einzige noch lebende nähere Verwandte gewesen. Es gab zwar noch einen Onkel, den Bruder ihres Vaters, aber zu ihm hatten die Schwestern keinerlei Kontakt gehabt, genau wie zu der neuen Familie des Vaters. Da Saskia keinen Job gehabt hatte, gab es auch keine Arbeitskollegen. Zu den Nachbarn hatte es nur oberflächlichen Kontakt gegeben, und auch mit den alten Schulfreunden hatte Saskia nichts mehr zu tun gehabt. Einzig mit einer früheren Freundin, die inzwischen in London wohnte, hatte sie gelegentlich telefoniert.
Einer der wenigen Namen, die Linda noch auf der Liste notiert hatte, war der von Pavel Svoboda, mit dem Suna jetzt sprechen wollte. Sie hatte erfahren, dass es sich dabei um Saskias Exfreund handelte, den direkten Vorgänger von Jörn Christensen. Und wie Linda verraten hatte, hatte er sich mit der Trennung von Saskia nicht abfinden wollen. Immer wieder war er bei ihr aufgetaucht, hatte vor ihrem Haus herumgelungert und sie mit Anrufen belästigt.
Damit hatte er es auf Platz eins auf Sunas persönlicher Verdächtigenrangliste geschafft.
Schon als Suna das Haus von außen gesehen hatte, war sie erstaunt gewesen über den extremen Unterschied zwischen Saskias altem und ihrem neuen Leben. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass man sich innerhalb weniger Wochen so verändern konnte.
Als ihr Pavel Svoboda die Tür öffnete, glaubte sie allerdings langsam an einen schlechten Scherz.
Er war das genaue Gegenteil von Jörn Christensen. Während Saskias Ehemann sehr konservativ, fast schon spießig wirkte, erfüllte ihr Exfreund jedes Klischee des schmierigen Lovers.
Suna konnte nicht genau sagen, ob seine langen welligen Haare mit Gel zurückgekämmt waren oder ob er sie einfach so lange nicht mehr gewaschen hatte, dass sie vor körpereigenem Fett strähnig an der Kopfhaut klebten. Auch was seinen Körpergeruch anging, war sie hin- und hergerissen. Eventuell zeugte der großzügige Einsatz von Aftershave von einer sehr intensiven Körperhygiene. Vielleicht bedeutete er aber auch das Gegenteil und sollte einfach nur den Schweißgeruch verdecken, den Suna unter dem Duft wahrzunehmen meinte. In Svobodas linkem Ohr prangte ein dicker Goldring mit einem eingelassenen glitzernden Stein. Sein schwarzes T-Shirt hatte einen tiefen V-Ausschnitt, der einen großen Teil seiner sorgfältig enthaarten, solariengebräunten Brust zeigte. Die schwarze, ausgeleierte Trainingshose drohte ständig über seine schmalen Hüften zu rutschen. Wenigstens hatte er auf die klassischen Adiletten und Sportsocken verzichtet. Stattdessen lief er barfuß durch die Gegend.
Suna starrte fassungslos auf seine Hose und hoffte, dass sie sich zumindest für die Dauer ihres Gesprächs nicht selbstständig machen würde.
Svoboda interpretierte das anscheinend völlig falsch. Sein Blick glitt
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