Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
erfahren hätte, was sie wirklich so alles getrieben hat,« – er betonte genüsslich jede Silbe des Wortes – »wäre die doch völlig ausgetickt.«
Genauso wie Jörn Christensen wahrscheinlich, dachte Suna im Stillen. Oder wusste der bereits von der Vergangenheit seiner Frau? Sie glaubte es nicht.
»Und was war mit ihrem Mann?«, wollte sie deshalb von Svoboda wissen.
Der zuckte nur gelangweilt die Achseln.
»Keine Ahnung. Irgendwie muss sie vergessen haben, mir ihn vorzustellen. Allerdings war sie gar nicht begeistert, dass ich vor ihrer schnieken Wohnung in diesem Hochschulviertel aufgetaucht bin. Sie ist wie eine Furie auf mich losgegangen und wollte, dass ich mich verpisse und mich nie wieder blicken lasse. Das hat den Preis natürlich noch ein bisschen nach oben getrieben.«
Suna stellte sich dumm. »Den Preis?«
»Ja, dass ich sie in Ruhe lasse. Mir ist schließlich mein Verdienst weggebrochen, sozusagen von einem Tag auf den anderen. Das sollte ihr dann schon eine Entschädigung wert sein.«
Suna presste die Lippen aufeinander. Diese Art von »Geschäftsgebaren« war zwar nicht neu für sie, doch ein konkreter Fall wie dieser versetzte sie jedes Mal in Wut.
»Wie viel?«, stieß sie hervor.
»Zehntausend«, gab Svoboda so selbstverständlich zurück, als rede er darüber, was die Milch beim letzten Einkauf gekostet hatte. Als er Sunas Blick sah, fügte er erklärend hinzu: »Sie war jung und hübsch, hatte eine gute Figur und hing nicht an der Nadel oder an der Flasche wie viele von den anderen Mädchen. Das treibt den Preis natürlich ordentlich in die Höhe. Wenn sie sich ein bisschen angestrengt hätte, hätte aus ihr eine richtige Edelnutte werden können.«
Suna ging nicht auf seine Ausführungen ein. Der Kerl widerte sie an, doch sie hoffte, ihm noch ein paar nützliche Informationen entlocken zu können. »Hat sie gezahlt?«, fragte sie in möglichst neutralem Tonfall.
»Jepp. Zuerst hat sie sich ein bisschen Zeit gelassen, aber als ich ein bisschen nachdrücklicher geworden bin, hat sie die Kohle endlich rausgerückt. Genau zwei Wochen, bevor sie ...« Svoboda brach ab und stellte mit der Hand jemanden dar, der aus großer Höhe fiel – und unten aufschlug. Dazu machte er die passenden Geräusche.
Suna reichte es. Es konnte nur noch wenige Sekunden dauern, bis sie vor Wut explodierte. Höchste Zeit zu gehen. Sie presste ein kurzes »Danke« hervor, stand auf und lief zur Tür. Als sie die Klinke schon in der Hand hatte, drehte sie sich noch einmal zu Saskias Exfreund um. Svoboda saß selbstzufrieden auf seinem Stuhl und blickte sie herausfordernd an. Ihm war deutlich anzumerken, wie sehr er seine Provokationen genoss.
»Widerst du dich eigentlich nicht selbst an?«, zischte Suna. »Du lässt deine Freundin in deinem eigenen Schlafzimmer anschaffen, lässt sie von irgendwelchen wildfremden Kerlen besteigen und schläfst dann hinterher noch selbst mit ihr?«
Die Selbstgefälligkeit auf Svobodas Miene trat noch deutlicher hervor. »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht«, gab er lässig zurück. »Ich weiß professionellen Service eben zu schätzen.«
Es kam nicht oft vor, dass Suna sprachlos war, doch in diesem Moment war es soweit. Sie wusste nicht, ob sie die Mischung aus Ekel und Wut, die in ihr aufstieg, noch lange in Zaum halten konnte. Also beeilte sie sich, aus der Wohnung zu kommen, knallte die Tür hinter sich zu und rannte die Treppe hinunter.
Selbst auf dem nächsten Treppenabsatz hörte sie noch Svobodas schallendes, höhnisches Gelächter.
*
Als Suna kurz darauf zu ihrem kleinen Büro in der Lübecker Altstadt zurückfuhr, fiel es ihr immer noch schwer, ihren Ärger über Pavel Svoboda zu unterdrücken. Sie verstand nicht, dass solche Typen es immer wieder schafften, Frauen zu finden, die sie sich gefügig machen konnten. Sicher, die meisten dieser Frauen waren jung, extrem naiv oder einfach nur völlig verzweifelt. Aber es gab doch genug andere Möglichkeiten. Warum landeten sie also immer wieder bei Arschlöchern von Svobodas Kaliber?
Mit einem Kopfschütteln versuchte Suna, die unangenehmen Gedanken zu vertreiben. Sie hatte an ihrem Fall genug zu knabbern, auch ohne dass sie noch über die Rettung der weiblichen Hälfte der Weltbevölkerung philosophierte.
So unangenehm der Besuch bei Svoboda auch gewesen war, er hatte doch einige ganz neue Hinweise geliefert, denen Suna nachgehen konnte. Sie war sich zwar nicht sicher, ob sie ihm in Bezug auf Saskias
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