Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
richtig Geld machen kann (und nebenbei sein Image in der Szene aufpoliert), dieses Projekt bietet mir auch die Möglichkeit, mich zum ersten Mal mit einer Sache zu beschäftigen, die ich nicht zum Kotzen finde, die mir sogar richtig Spaß bringt.
Und noch ein kleiner, nicht ganz unbedeutender Punkt: Ich würde damit über die Gedanken und Portemonnaies all dieser Hohlköpfe und Nullnummern herrschen, die mir das Leben so vermiesen. Ich fühle mich sauwohl, ich bin dermaßen glücklich und zufrieden mit mir selber, dass ich mir mit meiner Zigarette beinahe die Hose abfackle. Die Glut sengt mir die Finger an und holt mich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich fluche und schmeiße die Kippe aus dem Fenster.
»Alles in Ordnung, Bruder?«, fragt Mischa lächelnd vom Vordersitz.
»Alles okay.« Ich mache mit den Fingern das Victory-Zeichen und fühle mich wie Yassir Arafat.
»Wir sind gleich da. Ihr werdet sehen, das ist ein ziemlich netter Laden. Habt ihr ein bisschen Zeit?«
»Klar, so viel du willst …«
Das Lokal, eine Mischung aus Club, Kneipe und Restaurant, befindet sich in irgendeiner der kleinen Gassen, die vom Twerskoj-Boulevard abzweigt. Wir halten dort Einzug wie echte Filmstars. Einer hat eine angebrochene Champagnerflasche in der Hand, der Nächste qualmt eine dicke Zigarre, der dritte hält links und rechts ein Mädchen im Arm. Und alle quatschen wir dabei möglichst laut in unsere Handys, lachen aus vollem Hals und zeigen auch sonst auf jede erdenklich Art und Weise, dass wir ausschließlich mit uns selbst beschäftigt sind. Wobei das ganze Spektakel natürlich nur aus dem einzigen Grunde abgezogen wird, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. Lena fragt mich mit vor Freude überschnappender Stimme:
»Wo sind wir denn hier?«
»Keine Ahnung. Was spielt das für eine Rolle?«
In diesem Moment presst sie sich noch enger an mich, was mich auf den Gedanken bringt, dass das genau die Antwort war, die sie hören wollte.
Mischa dirigiert uns in die Lounge, wo wir zwei Tische in Beschlag nehmen und sofort anfangen, alle um uns herum zu begrüßen. Die Klientel ist hier eine etwas andere als in der Galerie, jünger und frischer. Die Typen haben gut trainierte Oberarme, die Frauen gut trainierte Bäuche. Man ist überhaupt sehr sportlich, sonnengebräunt, schreiend modisch und hypererotisch. Lauter junge Götter mit perfekten, vor Gesundheit strotzenden Körpern, aber extrem lasterhaften Gesichtern und ungesund glänzenden Augen. Alle unterhalten sich mit gedämpfter Stimme, lächeln einander verlockend an und fassen sich in regelmäßigen Abständen mit der Hand ins Gesicht, als wollten sie prüfen, ob noch alles richtig sitzt.
Die Gespräche hier drehen sich ausschließlich um zwei völlig konträre Themen: Drogen und gesundes Leben.
»Dreißig Trips haben wir bei Wanja genommen, wie üblich … Sie macht gerade diese komische Diät, strikte Trennkost … Weißt du, halb Koks, halb Age … Ein neuer Court mit Fitnessbar … Der Junge verkauft nur absolut reinen Stoff … Die Trainerin ist total sexy … Eine geile Schnecke, diese Dealerin aus Litauen … Wir sind zwei Kilometer geschwommen … Der Trip hielt echt zwei Stunden vor … Ein Supertyp, der lässt kein Gerät aus … Ja, ja, er hängt seit einem halben Jahr an der Nadel … Ich komme gerade aus der Sporthalle … Ich bin noch ziemlich down … Zwei Kilo in der Woche abgenommen … Seine Norm liegt bei zwei Gramm am Tag … Ich
sterbe, wenn ich heute nicht in den Fitnessraum komme … Ich verrecke, wenn ich nicht ganz schnell was auftreibe … Von LSD lass lieber die Finger … Teste doch mal meinen Spa … Der hat sich bald die Nasenscheidewand weggeblasen … Der hat ein perfektes Sixpack … Körbchengröße B? … Sein erster Trip? Fettverbrennung! … Speedball! … Morgen ins Solarium? … Jetzt aufs Klo?«
So leben sie. Morgens zum Trainer, abends zum Dealer. Ich glaube, sie beschäftigen sich nur deshalb am Morgen so eifrig mit ihrer Gesundheit, damit sie sie abends wieder ruinieren können.
Immer wieder verschwinden einige Gäste pärchenweise in Richtung Toiletten. Kommen zurück. Die nächsten verschwinden und immer so weiter.
Mein Nachbar erzählt mir, wie toll er es findet, abends zum Messegelände im Presnenski-Bezirk rauszufahren, was da für ein großartiger Park sei und so eine fantastische Luft. Man nimmt sich ein paar CDs mit, weil in den Toiletten die praktischen Glasregale fehlen – und am Abend leuchten
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