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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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einen paradiesischen Fünfjahresurlaub zu verwandeln.
    Eigentlich ist das ja auch nur logisch, denn wenn dies hier die Hölle ist, dann muss es darin wohl auch Teufel geben – natürlich hundertprozentig moderne Teufel ohne Hörner und Hufe, dafür aber mit Ausweispappe und Handschellen.
    Die Teufel schleppen mich aus der Toilette und schieben mich durch die ganze Kneipe zum Ausgang. Groteskerweise denke ich dabei, dass wir vermutlich aussehen wie eine Troika besoffener Tunten, die so ineinander verkeilt sind, dass zwei von ihnen den dritten vor überschäumender Leidenschaft beinahe ersticken. Fehlt eigentlich nur noch, dass der Dritte irgendetwas Nettes tut, was unser intimes Verhältnis illustrieren könnte, also mir am Ohrläppchen lutscht oder ein bisschen den Hintern befummelt. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie finde ich das alles irrsinnig komisch. In einem abgelegenen Winkel meines Gehirns begreife ich zwar, dass ich in eine ziemlich fiese Geschichte geraten bin, aber mein Bewusstsein weigert sich noch, die Sache wirklich ernst zu nehmen.

    »Gehen wir ein bisschen tanzen?«, frage ich.
    »Warte ab, du wirst uns gleich was Hübsches vortanzen, du kleiner Scheißer«, zischt mich der Dritte (der kleinste) von hinten an. »Du peilst anscheinend überhaupt nichts, was? Dann pass mal auf, was wir jetzt für ein Tänzchen mit dir aufführen.«
    »He, sag mal, bist du nicht noch ein bisschen zu klein, um in Clubs rumzuziehen? Ich dachte, hier kommt man erst ab achtzehn rein.«
    »Die kleine Ratte ist ja richtig witzig«, krächzt er mir ins Ohr und verpasst mir dabei einen kurzen Schlag in die Niere. »Wenn du deine scheiß Klappe nicht hältst, mach ich dir einen Knick in deine Rotznase.« Ich habe das befremdliche Gefühl, dass er beim Sprechen an mir hochspringt.
    »Hört mal, Kollegen, sagt dem Typen, er soll aufhören, mich zu schlagen. Außerdem hat er Mundgeruch. Die Genfer Konvention verbietet den Einsatz von Kampfgas gegen Gefangene. Und falls ihr’s nicht wisst: Russland hat diese Konvention ebenfalls unterzeichnet.«
    Der kleine Giftzwerg verzerrt sein Gesicht vor Wut. Er sieht aus, als sei er wirklich total heiß darauf, mich fertigzumachen.
    »Bleib ruhig, Pascha, bleib ganz ruhig«, sagt der mit dem kaukasischen Gesicht. »Mach keinen Blödsinn, ja? Du handelst dir nur überflüssigen Ärger ein.« Das wiederum galt mir.
     
    Der russische Bulle hat natürlich vollkommen Recht. Erstens sollte man sowieso keine Drogen nehmen. In einer Stadt wie Moskau sind eh schon alle durchgeknallt. Wer da den
Fehler begeht, seinen Bewusstseinszustand künstlich höher zu tunen, riskiert die schlimmsten Kollateralschäden. Sollten Sie jedoch diesen Rat nicht beherzigen und dennoch gelegentlich stimulierende Substanzen zu sich nehmen, und tun Sie dies darüber hinaus an öffentlichen Plätzen, zum Beispiel mit dem Ziel, sich auf diese Art in den glamourösen Teil des urbanen Gemeinwesen einzugliedern, sollten Sie darauf vorbereitet sein, früher oder später mit der staatlichen Exekutive zu kollidieren. Sollte dieser Fall einmal eintreten, ist es ratsam, peinlichst darauf zu achten, sich den Vertretern der Staatsmacht gegenüber keinesfalls rüpelhaft zu benehmen. Diese Leute haben schließlich einen stressigen Job, so banal das klingen mag. Jedes Mal nämlich, wenn sie einen zugedröhnten Szenetypen aus einer Toilette oder aus einem Auto herausfischen, durchleben sie eine krasse kognitive Dissonanz, die sich aus der Tatsache ergibt, dass der Naseninhalt des Delinquenten, in reinem Geldwert gerechnet, einem erheblichen prozentualen Anteil ihres offiziellen Gehaltes entspricht. Schon ein einziger Besuch in einem der Lokale, die Sie täglich frequentieren, ist für einen solchen Staatsdiener – sofern er nicht zu den ranghöheren Vertretern dieser Gattung gehört – ein extrem kostspieliges Unternehmen. Und so kommt es dann, dass diese Personen, wenn sie Ihnen Auge in Auge gegenüberstehen, den heftigen Wunsch in sich verspüren, Sie, also ihren ausgewiesenen Klassenfeind, empfindlich abzustrafen, und zwar am liebsten gleich an Ort und Stelle. Und da provozieren Sie sie auch noch mit Ihren vorlauten Bemerkungen. Je mehr Sie die Situation verschärfen, desto schlimmer – sprich: teuer – wird es für Sie. Das ist eine Tatsache, der Sie sich in jedem
Augenblick Ihres Daseins bewusst sein sollten: Egal, was Sie tun, Sie können dafür zur Verantwortung gezogen werden. Das gilt vor allem dann, wenn man Sie mit

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