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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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nächsten Mal, oder wir treffen uns im Laufe der Woche, dann geb ich es dir zurück.«
    »Sag mal, Iwan, wofür hältst du mich, für Bill Gates vielleicht?«
    »Wie meinste das?« Oparysch glotzt mich verständnislos an.
    »Ich meine, dass ich keine Lust habe, die Nationalbolschewiken zu unterstützen. Vor grad mal einer Stunde hast du mich noch als deinen Klassenfeind bezeichnet. Oder ist es in Ordnung, vom Klassenfeind Geld zu schnorren?«
    »He, hörma, was sollas jetz? Ich hab doch gerade gesagt, du kriegst es zurück.«

    »Iwan, entschuldige, ich hab zweihundert Rubel für das Taxi dabei, ansonsten nur noch Dollar. Das ist alles, was dieses kriminelle Regime heute rausgerückt hat.«
    »Scheiße …« Oparysch kratzt sich am Kopf. »Na los, dann gib mir Dollars, ich tausch sie schnell um und geb dir den Rest zurück.«
    »Nein, Iwan, das geht wirklich nicht. Was ist, wenn du tatsächlich mal ein neuer Che Guevara wirst? Dann erzähle ich allen Leuten, dass wir zusammen gesoffen haben. Das wird super cool. Aber wenn ich erzähle, dass du mich angepumpt hast, und dass du mit meinen Dollars zur Wechselstube gerannt bist, dann ist das überhaupt nicht cool. Man wird mich nicht verstehen. Che Guevara hätte nie Dollars getauscht, um seinen Schnaps zu bezahlen, verstehst du mich?«
    »Du bist ein Geizkragen, Scheiße, verdammte!« Oparysch spuckt sich vor die Füße. »Dir ist es schade um die Kohle, oder?«
    »Nein, Iwan, das bestimmt nicht. Ich mache mir bloß Sorgen um dein Image. Damit du später in deiner Autobiografie nicht so viel schummeln musst. Ich halte sie gewissermaßen sauber von lästigen Details, die die Reinheit des Führers kompromittieren könnten. Also, mach’s gut, Alter.« Ich klopfe ihm auf die Schulter und mache mich auf den Heimweg.
     
    Als ich nach Hause komme, finde ich auf meinem Anrufbeantworter fünf Nachrichten von Wolodja, einem meiner Stellvertreter. Besoffen, wie ich bin, habe ich eigentlich nicht die geringste Lust, ihn jetzt noch zurückzurufen, aber angesichts dieser Anzahl von Anrufen ist mir klar, dass Wolodja ein ernstes Problem hat.

    Ich wähle seine Nummer, und nach dem zweiten Tuten knallt mir Wolodjas hektische Stimme ins Ohr.
    »Hallo, grüß dich. Wie geht’s?«
    »Geht so, alles klar, denke ich.«
    »Hör mal, gut, dass du zurückrufst. Es geht um die Konferenz. Klasse, wie du am Freitag die Petersburger abserviert hast.«
    »Was hab ich?«
    »Na, ja, ich meine, wie du die Probleme der Petersburger Filiale dargestellt hast, am Ende der Konferenz.«
    »Ich? Ich habe überhaupt nichts dargestellt. Ich habe auf der gesamten Konferenz zweimal Danke gesagt, sonst gar nichts. Du musst da irgendwas verwechseln.«
    »He, ist ja schon gut. Du bist wohl versackt, oder was? Dein Hirn ein bisschen in Alkohol mariniert? Jedenfalls, als Neker uns aufgefordert hat, offen unsere Meinung zu sagen, da hast du richtig vom Leder gezogen und den Petersburger Direktor zur Schnecke gemacht. Irrationelle Verwendung der Budgets und so weiter.«
    »Wolodja, sag mal …«
    »Hä?«
    »Sag mal, mit wem redest du jetzt gerade? Hm?«
    »Mit wem ich rede? Na, mit dir, mit wem denn sonst?«
    »Und wer bin ich? Welchen Posten habe ich in der Firma?«
    »Du bist der Geschäftsführende Direktor, oder?«
    »Wowa, falls du noch irgendein Stück Hirn im Schädel hast, setz das doch bitte mal in Gang. Verdammt, ich war am Ende der Konferenz gar nicht mehr da? Ich bin zehn Minuten nach Beginn des zweiten Teils abgehauen, hörst du? Ich
hab mich verpisst, bin desertiert, abgezischt, oder wie soll ich es dir am besten klarmachen? Ich hab mich verdünnisiert, capito? Und deshalb habe ich auch weder über Petersburg noch über Wolgograd oder über sonst irgendeine verpisste Scheißstadt irgendein beschissenes Wort gesagt! Ich war gar nicht da!«
    Am anderen Ende der Leitung entsteht eine peinliche Pause, ich höre nur Wolodjas angestrengten Atem.
    Ich vermute, dass er gerade eine Entscheidung trifft. Offenbar muss er sich sammeln, um gleich etwas sehr, sehr Wichtiges zu sagen.
    »Hör mal«, beginnt er nach einer Weile. »Ich will jetzt nicht mit dir streiten. Möglich, dass du abgehauen bist. Möglich, dass es jemand ganz anderes war, der das über Petersburg gesagt hat, ich kann mich nicht so genau erinnern. Aber eins ist sicher: Der Chef hat mich beauftragt, dir mitzuteilen, dass du am Montag nach Petersburg fahren sollst. Um deine Kritik umzusetzen. So ungefähr hat er das genannt, ich zitiere ihn

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