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Seelenkuss / Roman

Seelenkuss / Roman

Titel: Seelenkuss / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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Uhr. Dunkles Haar, kragenlang. »Ehrlich gesagt, hatte ich mich zuerst gefragt, wieso jemand von einem Punkt aus schießt, von dem es nur
einen
Fluchtweg gibt.«
    Während sie sprach, verlagerte sie ihren Colt in die linke Hand und griff mit der rechten in die Tasche an ihrem Oberschenkel. Alles war so vertraut! Das Exekutieren gehörte nicht gerade zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, aber sie kannte es in- und auswendig. Und an diesem Punkt hörte der böse Bube auf, ein »Er« zu sein und wurde zu einem »Es«. Es war leichter, sie auszuschalten, wenn sie keine Menschen waren.
    Ashe zog einen langen, geraden, spitzen Pflock hervor. »Dann fiel es mir ein: Vampire können fliegen. Und dabei kam mir noch ein anderer Gedanke. Ich wurde zu einem Notfall hierherbestellt. Wie konnte ein Profikiller wissen, wo ich sein würde? Jemand hat ziemlich gründlich geplant, und ich will Namen!«
    Der Vampir schlug zu. Die Geschwindigkeit war atemberaubend, mit der er sich von seiner Bauchlage binnen nicht einmal einer Sekunde in eine frontale Angriffsposition begab. Doch Ashe hatte nichts anderes erwartet. Sie fühlte, wie der Pflock sich in den Körper des Dings rammte, und nutzte dessen Schwung, um ihre Waffe tiefer zu treiben. Dazu musste sie nichts weiter tun, als ihre Füße weit genug auseinanderzustellen, damit sie die Wucht abfingen, und sich gegen den Angreifer zu lehnen.
    Der Vampir fuchtelte mit den Armen, wollte die Richtung wechseln und zurückweichen, gleichzeitig zuschlagen, beißen und entkommen. Ashe hatte seine Größe recht gut eingeschätzt, aber der Pflock traf ihn ein kleines Stück unter dem Herzen. Sie spürte, wie ihre Füße über Stein schlitterten, viel zu nahe an das Eisengeländer und somit den tiefen Abgrund.
    Brüllend packte Reynard den Vampir von hinten. Im fahlen Mondlicht konnte Ashe das Vampirgesicht erkennen, das vor Schmerz und Wut zu einer Fratze verzogen war. Reynard gelang es, den Blutsauger an den Armen festzuhalten, was ein Mensch niemals gekonnt hätte, und dies schien dem Monster noch größere Angst einzujagen als der Pflock.
    Ashe drehte ihre Waffe und trieb sie weiter nach oben, worauf der Vampir einen stummen Schrei ausstieß. Doch bevor sie ihn endgültig pfählte, wollte sie versuchen, ihm Informationen zu entlocken. Sie hoffte nur, dass Reynards Kraft ausreichte, um das Monster so lange zu bändigen.
    Sie fühlte den Vampiratem auf ihrer Haut und roch die feine Note seines süßlichen Gifts. Dieses Gift machte hochgradig süchtig, weshalb es nur eines einzigen Bisses bedurfte, und schon gierten die Sklaven, zu denen es die Opfer machte, nach dem erotischen Hochgefühl.
    »Wieso hast du auf mich geschossen?«, fragte Ashe.
    Der Vampir bleckte fauchend seine Reißzähne.
    »Unheimlich, aber ich habe schon eindrucksvollere gesehen.«
    Reynard tat irgendetwas, das den Vampir vor Pein zusammenfahren ließ. »Antworte!«
    »Abscheulichkeit!«, knurrte der Vampir und wollte sich ein letztes Mal auf sie stürzen.
    Mit Betonung auf »letztes Mal«, denn Ashe rammte den Pflock nach oben, ehe die Reißzähne sie berührten. Sie hörte das Klacken, als die Hauer ins Leere schnappten.
    Plötzlich erschlaffte der Vampir. Reynard ließ die Leiche fallen, aus der noch der Pflock aufragte.
    Ashe blickte auf den Vampir hinunter. Sie wusste, dass sie später einiges empfinden würde – Wut, Triumph, Reue, Mitleid, Selbstsicherheit –, doch im Moment herrschte gähnende Leere in ihr. Sie hatte getan, was sie tun musste. Sobald ihr Adrenalinspiegel wieder gesunken war, würde sie eine wohltuende Ruhe erfüllen.
    Der Vampir hatte sie eine Abscheulichkeit geschimpft. Sie öffnete den Mund, um anzumerken, wie seltsam diese Titulierung ausgerechnet von einem blutsaugenden Monster anmutete, schloss ihn jedoch gleich wieder. Es war derart bizarr, dass sie nicht einmal darüber nachdenken wollte. Außerdem gab es andere, drängendere Fragen, wie beispielsweise die, warum der Vampir lieber starb, als zu reden.
    Es könnte ein Racheakt gewesen sein oder etwas anderes. Worum es auch gehen mochte, es war auf jeden Fall persönlich, und das behagte Ashe ganz und gar nicht.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Reynard.
    »Ja«, antwortete Ashe bemüht unbekümmert. »Der war ziemlich leicht zu erledigen.«
    Reynard setzte sich gesenkten Hauptes auf die Bank, und Ashe wandte ihr Gesicht ab. Er wirkte finster; nein, den Feind zu pfählen war nie lustig. Aber schließlich wählte man sich diesen Job nicht aus, weil

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