Seelenkuss / Roman
wackliger Turm aus Gourmet-Kochgeschirr, dessen Kupfer und Edelstahl im Licht blinkten. Es stapelten sich Bücher, DVD s, Spielwaren und ein Rasenmäher neben farbig lasierten Pflanzenübertöpfen und einer Ansammlung gemusterter Gehwegplatten für den Garten. Der Dämon hatte anscheinend das Sears-Gartencenter geplündert. Ein Stück weiter standen ein großes Sofa und ein passender Zweisitzer aus weißem Leder, dazu Beistelltische mit Tiffany-Lampen. Die Tische waren sehr hübsch, aus handpoliertem Walnussholz, was Ashe wusste, weil sie sich ab und zu danach sehnte, auch mal ein Stück zu besitzen, das nicht aus billigem Kiefernholz mit Astlöchern gefertigt war. Das Allermeiste in dem Laden allerdings waren Sammlungen: ein Berg Anziehpuppen mitsamt Wagen, Häusern und verrückter Garderobe. Küchenmesser. Fernsehserien- DVD s. Besteck- und Glas-Sets sowie Royal-Doulton-Geschirr mit Goldrand.
»Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen Sammeln und Horten?«, fragte Alessandro leise, als redete er eher mit sich selbst.
»Ungefähr fünfzig Action-Figuren früher«, antwortete Holly. »Mich wundert, dass sich das Ding nicht für ein Mietdepotgebäude interessiert.«
»Es genießt das Herzeigen«, erklärte Reynard. »Ich bin dieser Kreatur schon ein oder zwei Mal begegnet.«
»Weißt du irgendetwas, das wir benutzen können?«, erkundigte Holly sich. »Wie gehen die Wachen in der Burg mit Dämonen um?«
»Sie dürfen sich nicht unter die übrigen Einwohner mischen. Es gibt gewisse Bereiche in der Burg, die eigens für Dämonen abgeriegelt wurden. Dort können sie keinen Schaden anrichten.«
»Und wenn einer ausbricht?«
»Einem großen Dämon wie diesem sind ein oder auch zwei Wachen nicht gewachsen. Es braucht mindestens ein Dutzend, und das innerhalb der Burg. Ginge es lediglich darum, unseren Freund verhaften zu lassen, hätte Mac Verstärkung geschickt. Doch er kann uns erst helfen, wenn der Dämon sich wieder in der Burg befindet.«
Holly sah ihn verwundert an. »Was habt ihr denn früher in solchen Fällen gemacht?«
»Wir verließen uns auf die Hilfe von Zauberern und Hexen«, gab Reynard mit einem resignierten Seufzer zu. »Unter den alten Wachen waren einige Zauberer, doch die Jahre haben ihren Tribut gefordert. Ich selbst verfüge über ein wenig Magie, jedoch nicht ausreichend hierfür.«
»Ich besitze den Schlüssel, den Belenos hatte«, warf Ashe ein. »Nützt der was?«
»Die Schlüssel wirken nicht bei Feen und den meisten Dämonen«, erwiderte Reynard. »Sie können durch kein Tor, das mit einem der Schlüssel geschaffen wurde. Gegen die gefährlichsten Arten wurden besondere Schutzmaßnahmen ergriffen. Nur zusätzliche Zauberei kann ihnen eine Tür öffnen. Ich könnte allerdings ein Portal mittels Wächtermagie schaffen. Da ginge er hindurch.«
Ashe fluchte. »Also läuft es wie bei dem Hasen: Du öffnest ein Portal, und wir treiben den alten Tony in Macs fürsorgliche Hände?«
Reynard nickte. Holly und Alessandro wechselten Blicke und stimmten zu.
»Wollen wir nach der Urne suchen, solange Schleimi noch nicht aufgekreuzt ist?«, schlug Ashe vor.
»Ich würde lieber erst wissen, wo der Dämon steckt«, wandte Holly ein. »Das hier könnte eine Falle sein.«
»Ja, du hast recht«, pflichtete Reynard ihr bei. »Und ich sollte Mac Bescheid geben, damit er seine Männer bereithält.«
»Warum öffnest du nicht gleich ein Portal?«, fragte Holly. »Ich meine, das ist schließlich der schwierige Teil. Bringen wir ihn hinter uns.«
»Nein, dann wüsste unser Freund, dass ein Wächter im Haus ist. Ihn zu überraschen wäre günstiger.« Er wandte sich zu Ashe. »Darf ich dein Mobiltelefon ausleihen?«
Ashe nahm es aus ihrer Tasche. »Haben sie in der Burg Handyempfang?«
»Nein, die Hunde am Tor geben unsere Nachrichten weiter.«
Reynard klappte das Handy vorsichtig auf, tippte eine Nummer ein und hielt es sich ans Ohr. Ashe nahm es ihm wieder ab, drückte die Wähltaste und reichte es ihm lächelnd. Er bedankte sich mit einem Grinsen. Ashe mochte es, wenn ein Mann über sich selbst lachen konnte. Bei ihm müsste sie nicht ständig einen Eiertanz vollführen.
Während Reynard telefonierte, ging Ashe ein paar Schritte zur Seite.
Wir haben den Dämonenschatz gefunden, aber wo steckt der Dämon?
Sie schaute den dämmrigen, größtenteils leeren Wandelgang des Einkaufszentrums hinunter. Im Laufe der Jahre hatte sie hier so viel Zeit verbracht, dass sie sich diesem Ort verbunden fühlte
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