Seelenkuss / Roman
in einem Teerozean. Ab und zu regte sich ein stinkendes Blubbern und spie einen Schwall Schleim aus. Ein Miniaturvulkan aus der Hölle.
Ashe hielt sich eine Hand vor die Nase, um den Gestank abzuwehren. »Gehen wir irgendwohin, wo mehr Luft ist. Dieses Zeug ist giftig.«
Sie wollten auf die Eingangstür zulaufen. Holly hatte den Angestellten bei der Hand genommen und zog ihn mit sich. Der Boden war glitschig, so dass sie nur mühsam vorankamen. Ashe musste sich mehrmals an Reynards Ärmel festhalten, weil sie beinahe in die blaugrüne Masse gefallen wäre.
Als sie den matt beleuchteten Gang des Einkaufszentrums erreichten, zog Gary die Glasschiebetüren vor den Buchladen. »Nicht dass irgendjemand da reingeht, aber ich find’s irgendwie besser«, erklärte er. »Ich würde sagen, wir haben für heute geschlossen.«
Ashe sah zu Reynard. »Ist das die Rache, weil ›Book Burrow‹ runtergebrannt wurde?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Dieses Geschäft scheint in demselben Zustand zu sein.«
Ashe folgte seinem Finger, als er auf eine Goth-Boutique zeigte. Ein metallverstärktes Bustier im Fenster troff vor Schleim. Was Ashe ziemlich betrüblich fand, denn sie hatte insgeheim vorgehabt, es zu kaufen, obwohl es ein kleines Vermögen kostete. »Sonst noch irgendwo?«
»Nein, einen anderen Ort sehe ich nicht«, antwortete Reynard.
Seltsam, aber das Einkaufszentrum wirkte fast leer. Ashe hatte mit aufgeregten Leuten gerechnet, mit Geiseln inmitten von Schleim, dämonischen Forderungen nach freiem Zugang zum Einkaufsbereich. Stattdessen konnte sie jede Note der Hintergrundmusik hören, die durch die Einkaufspassage säuselte. Dienstagnachmittags war es normalerweise immer ruhig, aber hier sah es aus, als hätte kaum eine Handvoll Schaulustiger dem Gestank getrotzt, um ein paar Handyfotos von dem stinkenden Schleim zu machen.
»Wo sind die Sicherheitsleute?«, fragte Holly.
Gary zuckte mit den Schultern. »Wir haben versucht, sie anzurufen, aber da meldet sich keiner. Vielleicht hat das, was das hier angerichtet hat, sie als Erstes ausgeschaltet.« Er wandte sich zu Ashe und schien allmählich wieder gefasster. »Was kann ich tun?«
Ashe packte seine Schulter. »Schaff so viele Leute wie möglich hier raus! Sag in den anderen Läden Bescheid, dass sie schließen sollen, und schick die Mitarbeiter nach Hause! Und anschließend gehst du ebenfalls. Hier wird es hässlich.«
Gary nickte und sah alle ernst an. »Ihr seid voll cool.«
»Wir bemühen uns«, gab Ashe zurück. »Und jetzt los, Grashüpfer!«
Er schritt direkt auf ein paar Leute zu, die Handyfotos schossen, und schickte sie weg.
Sehr gut!
Ashe blickte zu den anderen. »Sieht jemand eine Dämonenhöhle?«
»Noch nicht«, antwortete Holly.
»Dann fangen wir an zu suchen. Wollen wir uns aufteilen oder zusammenbleiben?«
»Zusammenbleiben«, entschied Alessandro und sah zu Holly. »Wenn immer noch Kunden kommen und gehen, kontrolliert der Dämon bisher nicht das ganze Einkaufszentrum. Mit ein wenig Glück können wir seinen Einfluss orten.«
Ashe nickte, und sie begannen, als Gruppe durch das Einkaufszentrum zu wandern, wobei sie jedes Geschäft auf Hinweise für Dämonenbesessenheit überprüften. Unweigerlich musste Ashe an ihre Highschool-Tage denken, als sie hin und wieder den Unterricht geschwänzt hatte und mit Freunden hier herumgelungert war. Sogar einige der Geschäfte waren noch dieselben.
Irre!
Der Dämon hatte weder den Stereoladen noch den mit Biovitaminen oder die Edelboutiquen angerührt. Das Spielwarengeschäft hingegen sah aus, als wäre eine Horde marodierender Wikinger darüber hergefallen. Sie folgten einer Spur von Spielzeugrittern und Plüschtieren – von denen eines dem Hasen ähnelte, den Belenos bei Lor ließ – um eine Ecke in einen anderen Gang. Dort, schräg gegenüber von ihnen, entdeckten sie die Dämonensammlung.
»Was die Einkäufe angeht«, bemerkte Holly, »würde ich sagen, dass er ziemlich desorientiert ist.«
»Tja, er hat’s ganz schön übertrieben«, sagte Ashe. »Vielleicht ist der gute alte Tony vom Teller gedreht, als er den Buchladen verloren hat.«
Sie konnte nicht umhin zu staunen. Der Dämon war in ein leeres Geschäft eingezogen, hatte das Tor vorn aufgebrochen und alle Lichter eingeschaltet. Nun blickten sie in einen Raum, in dem es keinerlei Mobiliar, aber jede Menge Krempel gab. Der Wirrwarr aus Haufen und Stapeln machte es schwierig, einzelne Sachen zu erkennen. Da war ein
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