Seelenkuss / Roman
Gang. Es wimmelte dort nicht mehr von Kämpfenden, und etwas lag auf dem Boden. Reynard blieb nur kurz stehen und sah sich das Objekt an. Eine runde Silberanstecknadel mit einem Erikazweig.
Stewart!
Sicher hatte er die Brosche als Hinweis für sie hiergelassen.
Oder Reynard hatte es mit einer neuen Falle zu tun, die ihn tiefer in die Burg locken sollte.
Verfluchter Mist!
Stewart musste von mehreren Ungeheuern angegriffen worden sein, denn er war ein guter Kämpfer. Reynard lief etwas langsamer weiter und suchte dabei den Boden nach weiteren Spuren ab, die ihm verrieten, womit sie es aufnahmen. Doch der nackte Stein enthüllte ihm nichts.
Am Ende des Korridors gingen nach links und rechts Gänge ab. Wohin? Der Captain konzentrierte sich absichtlich weniger auf seine Sicht, auf dass die Geräusche zu ihm dringen mochten, statt dass er angestrengt horchen musste. Vielleicht war dabei Magie im Spiel, vielleicht auch nicht, aber Reynard konnte das schon, seit er ein Junge gewesen war. Er hörte Dinge, die er eigentlich gar nicht hätte wahrnehmen dürfen.
Beispielsweise das Rasseln eines schuppigen Koboldpanzers in einem Gang zu seiner Linken. Er verlagerte sein blutiges Schwert in die linke Hand und nahm seine Smith & Wesson in die rechte. Wenn er gegen einen Kobold kämpfte, waren Kugeln die bessere Wahl.
Er sprintete den Korridor hinunter, wild entschlossen, das Monster einzuholen. Stewarts Braut wartete zu Hause auf ihn, und Captain Reynard ließ seine Männer nicht im Stich.
Der Gang machte mehrere Biegungen, so dass die monotonen Steine dunkle Winkel schufen, ideale Nischen für einen Hinterhalt.
Reynard bewegte sich mit großen Schritten vorwärts, die Waffe schussbereit.
Sie warteten auf ihn, ein Fehlwandler und ein Kobold. Stewart lag wie ein Berg Schmutzwäsche zu ihren Füßen, seine Kehle blutig gebissen.
Plötzlich wurde Reynards Denken kristallklar. Alle Wut war verpufft. Der Kampf förderte seine eiskalte Beherrschung ans Licht, und er brauchte alles, was er an Kraft besaß.
Stewart brauchte es.
Reynard feuerte. Der Fehlwandler flog nach hinten, aber Reynard wusste schon, dass er seinen Kopf verfehlt hatte.
Mist!
Bei dem Schuss wich der Kobold einen Schritt zurück und zog gleichzeitig ein Bronzemesser von der Länge eines Unterarms. Die Klinge war mit fiesen Widerhaken gezackt, die dem Opfer das Fleisch herausreißen sollten. Und der Kobold hielt die Waffe sehr geübt in der Hand, während Vorfreude in seinen Schweineaugen aufblitzte. Seine Unterlippe, die ekelhaft menschenähnlich wirkte, sackte ein wenig herab, und er bleckte seine goldüberzogenen Reißzähne.
War das ein Koboldlächeln? Gier? Hämisches Grinsen?
Weiß der Teufel!
Es dauerte keine Sekunde, und der Kobold stürzte sich auf Reynard. Er war mindestens zwei Meter zehn groß und stank nach vergammeltem Fleisch.
Er raste auf Reynard zu wie ein messerbewehrter Findling. Reynard duckte sich zur Seite, allerdings nicht weit genug. Ein Hauer erwischte ihn seitlich am Kopf, worauf ihm die Ohren schrillten und er schwankte. Zusammen mit dem Kobold krachte er gegen die Wand, und die Masse des Ungeheuers quetschte ihn ein, dass er keine Luft mehr bekam.
Reynard beugte die Knie und nutzte den Schwung seines ganzen Körpers, um seinen Handballen von unten gegen die Koboldschnauze zu rammen. Der Kopf des Monsters schnellte nach hinten. Reynard hatte ihn überrumpelt.
Rasch richtete er seine Waffe gegen das wabbelige Fleisch unterhalb des Koboldkinns und feuerte dreimal. Während die obere Hälfte des Kopfes auf der Mauer verspritzt wurde, zuckte der Oberkörper einmal heftig und schlug Reynard gegen die Wand. Es fühlte sich an wie ein Sack voller Steine. Reynard wand sich und nutzte das Gewicht des Kobolds, um ihn krachend zu Boden zu werfen.
Blut und Knochensplitter waren überall auf Mauern und Boden sowie dem regungslosen Stewart verteilt und glitzerten im Fackelschein.
Der Fehlwandler war fort.
Reynards Smith & Wesson war leergefeuert, und er nahm sich keine Zeit, um nachzuladen. Schwerter waren bei Vampiren ohnehin besser.
Er suchte die Dunkelheit nach fahlgelben Augen ab.
Nichts. Nichts!
Reynard ließ die Waffe fallen und fasste sein Schwert fester.
Instinktiv blickte er just in dem Moment auf, in dem der Fehlwandler wie eine große gelbe Spinne von der Decke fiel. Reynard sprang zur Seite, war aber wieder nicht schnell genug. Klauen verhakten sich in seinem Ärmel und rissen ihn nach vorn. Er landete unsanft auf den
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