Seelenkuss / Roman
Bannermans Honorar, wäre Ashe so gut wie blank.
»Warum hörten Sie nicht einfach auf, Vampire zu jagen?«
»Die haben drei bis vier Leute pro Nacht umgebracht!«
»Dann empfanden Sie es als Ihre Pflicht?«
»Ja. Und diese Art Arbeit macht süchtig. Es gibt dauernd ein neues Monster, das man ausschalten muss, ehe man fertig ist. Dann blickt man eines Tages auf und stellt fest, dass das Jagen einen das Leben gekostet hat.«
Bannerman sah sie eine Weile nachdenklich an. Ashe spürte, wie ihre Kopfhaut zu kribbeln begann, denn sie erahnte den Gerichtshai hinter der glatten Anwaltsfassade. Ihr Adrenalinpegel reagierte sofort auf diesen Blick.
Derweil drehte er seinen Stift hin und her, rieb das gebürstete Gold zwischen seinen Fingern. »Anscheinend sind Sie gut in Ihrem Job. Im Internet wimmelt es von Geschichten über die mächtige Magie der Carver-Schwestern und Ihre Erfolge als Monsterjägerin.«
Wie sie Reynard sagte, besaß Ashe keine nennenswerten magischen Fähigkeiten, aber sie fand, dass ihr der Ruf der gnadenlosen Hexe einen psychologischen Vorteil brachte, deshalb widersprach sie den Gerüchten nicht. »Hexerei ist eher das Ding meiner Schwester.«
»Keine falsche Bescheidenheit! Die Carver-Familie ist berühmt. Sie bekommen Ihre Aufträge aus aller Herren Länder. Sind Sie sicher, dass es ausschließlich Monster waren, die Sie umgebracht haben?«
»Absolut! Ich hielt mich immer an das Gesetz.«
Bannerman betrachtete sie, als müsste er seine Einschätzung ihres Aussehens überdenken. Ashe wusste, was er dachte, denn sie hatte es schon so oft gehört, dass es ihr aus den Ohren herausquoll: dass eine tödliche Frau sexy war.
Männer waren echt abgedreht.
Ashe kürzte die Sache ab. »Ich habe mich zusammengenommen und bin durch damit, die Welt retten zu wollen. Jetzt will ich nur noch meine Tochter in einem liebevollen Zuhause aufziehen, wie sie es verdient, umgeben von ihrer Familie. Und wenn ich dafür mein Leben ändern muss, dann tue ich es eben.«
Ohne den Blick von ihr abzuwenden, blätterte Bannerman durch die Seiten eines dicken Dokuments. »Ihre Schwiegereltern haben recht ausführlich alle Gründe erläutert, aus denen Sie ihrer Ansicht nach keine geeignete Mutter sind. Nachdem Sie Eden vom Internat nahmen und aus Spanien herbrachten, fühlen sie sich genötigt, das Sorgerecht zu beantragen.«
Ashe merkte, wie ihre Gesichtszüge einfroren. Zwar erzählte er ihr nichts Neues, aber die Worte allein rissen an ihr wie die Zähne einer Höllenbestie. »Wie sieht es mit der Zuständigkeit bei internationalen Sorgerechtsfällen aus?«
»Die dürfte unerheblich sein. Der Vater Ihres verstorbenen Ehemannes stammt von hier, also würde der Fall wohl vor unseren Gerichten verhandelt werden. Das Gute ist, dass sich die Sachlage weniger kompliziert darstellt, als sie könnte.«
»Papa de Larrocha mochte mich nie. Mama genauso wenig, wenn nicht noch weniger.«
»Warum?«
»Ich wurde als Hexe geboren. Für sie galt ich als ein Makel in ihrem schönen Stammbaum. Und sie denken, wenn sie Eden von ihrem Hexenerbe fernhalten, wächst sie vollkommen menschlich auf.«
Ashe wollte, dass Eden lernte, stolz auf das zu sein, was sie war: ein Kind von Kämpfern.
»Ist das denn möglich?«
»Nein. Sie ist in einem Alter, in dem ihre Magie anfängt, sich bemerkbar zu machen.« Das war der letztlich ausschlaggebende Grund für Ashe gewesen, ihre Tochter nach Fairview zu bringen, wo sie von anderen Hexen umgeben war. Das erste Erblühen der Macht bedeutete, dass eine heikle Phase für das Kind anbrach.
Bannerman tippte mit seinem Stift auf einen Stapel Papiere. »Angesichts des Vermächtnisses Ihrer Familie wird es dem Gericht nicht leicht zu vermitteln sein, dass Sie das alleinige Sorgerecht behalten sollten.«
Ashe schaute ihn an. »Was meinen Sie?«
»Bisher wurden alle vergleichbaren Fälle gegen die Übernatürlichen entschieden.«
Ashe gab es auf, die Zivilisierte zu mimen, und fluchte. »Das ist Rechtsbeugung!«
Bannerman verengte seine Haifischaugen. »Vielleicht, aber die menschlichen Rechte sind die einzigen, die im Gesetz verankert sind. Und rein technisch sind Sie nicht menschlich. Aber ich bin ein sehr, sehr guter Anwalt.«
Ashe atmete zittrig aus. »Wie beruhigend!«
»Sie müssen schlüssig darlegen, dass Sie ein Leben führen können, an dem nicht einmal ein promenschlicher Richter etwas auszusetzen hätte. Dazu müssten Sie ein paar Dinge einhalten.«
»Welche?«
Er wog seine Worte
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