Seelenkuss / Roman
anders eingetragen, also bin ich sicher, dass Mr. Bannerman Sie empfangen kann.«
Ashe nickte. Routiniert kühl nahm die Empfangssekretärin den Hörer in die Hand und gab durch, dass Mr. Bannermans Klientin hier wäre. Ashe ließ ihren Blick schweifen und bemerkte, dass es sich bei den Bildern an den Wänden um Originale handelte, nicht um Drucke. Sie befand sich in der zwielichtigen Welt der außergerichtlichen Einigungen und eidesstattlichen Erklärungen. Keine Flammenwerfer, Schnellfeuergewehre oder Fernlenkgeschosse.
Ich bin so was von im Eimer!
»Sie können gleich durchgehen.« Die Empfangsdame wies elegant wie eine Fernsehshow-Assistentin auf eine Tür.
Und hinter Tür Nummer eins …
Ihre nutzlose Handtasche fest umklammernd, betrat Ashe das Anwaltsbüro. Ihre Pumps machten auf dem dicken Teppich nicht den leisesten Mucks. Sie versuchte, tief durchzuatmen, aber ihre Rippen wollten sich nicht entspannen.
Lawrence Bannerman erwartete sie neben seinem Schreibtisch. Er musterte sie einmal von unten bis oben und ließ seine Augen hier und da verharren. Ashe war groß, blond und schlank, aber eher Amazone als Bikini-Häschen. Als sein Blick ihr Gesicht erreichte, sah sie ein Urteil über seine Züge huschen. Sie war auch keine taufrische einundzwanzig mehr.
Tja, du kannst mich mal! Ich trete sogar Godzilla in den Dings!
»Miss Carver«, sagte er überaus freundlich.
»Mr. Bannerman«, entgegnete sie und erinnerte sich daran, dass sie ihm die Hand schütteln sollte wie eine Dame statt wie ein Profiringer.
»Bitte, nehmen Sie Platz!«
Sie setzte sich auf den Mandantenstuhl vor seinem Schreibtisch, dessen Lederpolster seufzte, als sie hineinsank. Ashe schaute sich um und schätzte ein, was die Umgebung dieses Mannes über ihn verriet. Helles Sommersonnenlicht fiel durch die großen Fenster des Eckbüros herein und betonte die Konturen des japanisch inspirierten Mobiliars. Teuer, geschmackvoll, steril. Sogar der Bonsai auf dem Couchtisch sah poliert aus.
Schöner-wohnen-Bonsai, die Göttin steh mir bei!
Bannerman schob ein paar Akten zusammen, stellte sie in einen aufrechten Halter zu seiner Linken, der gerade so gewinkelt war, dass Ashe die farbigen Aktenreiter sehen konnte. Auf dem ganz vorn stand
Unterkunft buchen.
Der Anwalt schenkte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Sie haben da einen sehr interessanten Fall.«
»So kann man es auch nennen.« Sie wollte ihre langen sonnengebräunten Beine überkreuzen, als ihr einfiel, dass sie einen kurzen Rock trug, und es ließ. Hier waren Diskretion, Selbstbeherrschung und all jene anderen Höflichkeit demonstrierenden Fertigkeiten gefragt, in denen sie komplett versagte.
Ein Teil von ihr wollte ihn aus reinem Widerwillen blenden.
Bannerman zog einen anderen Ordner aus dem Aufsteller und öffnete ihn. Um die Mitte vierzig und mit dem kastanienbraunen Haar, das an den Schläfen zu ergrauen begann, sah er ganz so aus wie auf den silbergerahmten Fotos auf seinem Schreibtisch.
»Nun gut«, setzte er an, »wir sprachen bereits am Telefon, aber ich würde gern die grundlegenden Fakten nochmals durchgehen, um einen Anfang zu machen. Eden ist Ihr einziges Kind, richtig?«
»Ja, sie ist zehn Jahre alt.«
»Und Sie waren rechtskräftig mit dem Vater, Roberto de Larrocha, verheiratet?«
»Ja. Ich habe meinen Geburtsnamen wieder angenommen, nachdem er vor viereinhalb Jahren starb.«
»Und Sie schickten Ihre Tochter auf ein Internat …«
Ashe war es leid, das alles zu erklären. »Als sie acht war. Zu jener Zeit war es notwendig. Nach Robertos Tod habe ich Vermisstenfälle übernommen, statt mich an meine Schwiegereltern zu wenden, damit sie uns unterhalten. Mein Job führte schließlich dazu, dass ich übernatürliche Mörder jagte, und die örtlichen Vampirclans begannen, uns zu bedrohen.«
»Deshalb haben Sie Eden auf ein Internat geschickt?«
»Die Saint Florentina Academy hat einen eigens entworfenen Schutz vor übernatürlichen Bedrohungen. Und sie bieten dort eine erstklassige englischsprachige Ausbildung an.«
Bannermans Lächeln war kaum mehr als angedeutet. »Sie klingen wie eine Werbeannonce.«
»Saint Flos gab ihr Sicherheit«, fuhr Ashe achselzuckend fort, »und eine Zukunft. Das Internat kostete mich jeden Penny, den ich besaß, aber es war das Beste, was ich zu dieser Zeit für sie tun konnte.« Die Schule hatte sie alles gekostet, was sie verdiente. Die Crème de la Crème der Internate war nicht billig gewesen, und jetzt, nach
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