Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkuss / Roman

Seelenkuss / Roman

Titel: Seelenkuss / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
Vom Netzwerk:
den Leib, als befände er sich irgendwie in ihr.
    Er lachte. »Ein wacher Verstand. Das gefällt mir.«
    »Verzieh dich aus meinem Traum!«
    Sie schlug aus, entschlossen, ihre Kräfte zu nutzen. Immerhin sollte sie im Traum doch alles haben können, was sie wollte. Aber es klappte nicht, nicht einmal hier. Sie hatte ihre Eltern umgebracht, und mit ihnen war Ashes Magie gestorben. Beides hing untrennbar zusammen.
    Schuldgefühle bescherten ihr einen Aschegeschmack im Mund, gefolgt von einer säuerlichen Angstnote. Sie bekam eine Gänsehaut, als würde ihr unsichtbarer Angreifer sie von allen Seiten gleichzeitig beobachten.
    Geh weg, geh weg, geh weg!
    Ashe sah oder hörte keine Veränderung, spürte aber, wie sich die Atmosphäre wandelte, als hätte die Luft plötzlich an Dichte verloren. War ihr Gebet erhört worden, oder hatte ihr Beobachter einfach entschieden, sich zurückzuziehen?
    Ein ebenso überraschter wie schmerzlicher Aufschrei ertönte hinter ihr. Ashe wirbelte herum und entdeckte einen Korridor, der vorher nicht dort gewesen war. Er sah aus wie jene in der Burg, ganz aus Stein und mit Fackeln an den Wänden. Mit traumtypischer Gewissheit begriff sie, dass Reynard am Ende des dunklen Ganges lag, verletzt und blutend, genau wie im letzten Herbst.
    Sie rannte in den kühlen Schatten, voller Angst, sie könnte nicht rechtzeitig bei ihm sein, bevor er seinen Wunden erlag. Sie musste ihn schnellstens verbinden, so wie sie es schon einmal getan hatte, ihm Wasser geben und ihn bewachen. Sie war eine Jägerin und schätzte folglich solche Gelegenheiten, andere zu heilen – in der Hoffnung, auf diese Weise etwas von dem dunklen Flecken wegzuradieren, den der Tod ihrer Eltern auf ihrer Seele hinterlassen hatte.
    Da war er, zusammengekrümmt auf der Seite liegend, der rote Waffenrock glänzend vor Blut. Ashe eilte zu dem reglosen Körper, hockte sich neben ihn und drehte ihn behutsam herum.
    O Göttin!
Ihr Entsetzen kam einem Schrillen gleich, das ihr durch Mark und Bein fuhr. Dies war nicht Reynard. Es war ihr Mann!
    Göttin, nein!
Sein Gesicht wies dieselbe wächserne Blässe auf wie an jenem Tag, als seine Organe versagt hatten und er gestorben war. Wütend, verletzt und hilflos hatte sie an seinem Krankenhausbett gesessen und seine Hand gehalten, bis sein Körper letztlich aufgab. Ihr Ehemann hatte jeden Berg, jeden Schneesturm und jede Höhle überstanden, die eine Herausforderung darstellten. Und meistens mit Ashe zusammen.
    Aber seine Arbeit war nicht minder gefährlich gewesen als seine Freizeitabenteuer. Er war willentlich in Spanien geblieben, weil sich ihm dort die aufregendste, schillerndste Beschäftigung bot, die er hatte finden können. Selbst für ihn war der Kitzel ausreichend gewesen: Er war Matador gewesen.
    Seinen letzten Stierkampf überlebte er nicht. Der Stier hatte ihn totgetrampelt.
    Wut und Kummer zerrissen Ashe innerlich, während sie noch einmal alles durchlebte, was sie empfunden hatte, als sein Herz zu schlagen aufhörte und ihres allein weiterpochen musste.
    Sie hatte ihn so sehr geliebt.
    Ashe wachte tränenüberströmt auf. Er war fort. Er würde immer fort sein.
    Sie hatte ihn nicht retten können.
    Freitag, 3. April, 8.30 Uhr North-Central-Einkaufszentrum
    Am nächsten Morgen trottete eine sehr übermüdete Ashe vom Parkplatz ins Einkaufszentrum und machte bei der Beans!Beans!Beans!-Coffee-Bar halt, ehe sie den Restaurationsbereich auf dem Weg zur Leihbücherei durchquerte. Die North-Central-Bücherei war an das Einkaufszentrum gebaut, und der Eingang lag zwischen den Toiletten und den Fast-Food-Ständen. Die Beliebtheit der Bestseller in dem Aufsteller vorn ließ sich anhand der Ketchup-Flecken und Eiskremspuren auf den Buchdeckeln bestimmen.
    Leider war es verboten, Büchereibesucher abzumurksen, auch wenn man sonst nicht viel auf Kundenfreundlichkeit gab.
    Ashe hatte den Job als Hilfe am Aus- und Rückgabetresen vor allem deshalb ergattern können, weil sie während ihrer Highschool-Zeit ehrenamtlich hier gearbeitet hatte. Eigentlich war sie überhaupt nicht dafür qualifiziert, aber zum Glück erinnerte der Büchereileiter sich an sie, und ihm gefiel, dass Ashe drei Sprachen fließend beherrschte. Außerdem war sie sehr gut, wenn es darum ging, die penetranten Herumgammler hinauszukomplimentieren. Die Bezahlung war durchschnittlich – erbärmlich verglichen mit ihren Honoraren als Monsterjägerin.
    Andererseits nahm sich »Bibliotheksangestellte« vor jedem Familiengericht

Weitere Kostenlose Bücher