Seelenkuss / Roman
schon öfter einige Regeln gebrochen. Man endet nicht als Unsterblicher in einem Kerker, wenn man vorher bloß Kreuzworträtsel gelöst hat.«
»Ich will keinen Partner. Für einen Partner muss man Verantwortung übernehmen, und das brauche ich wahrlich nicht.«
»Warum nicht?«
Ashe verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Du meinst, wo ich doch für alle anderen in meinem Leben so eine tolle Partnerin war?«
Für Mom, Dad, Roberto …
»Nimm seine Hilfe an, Ashe! Er ist ein großer Junge. Er kann auf sich selbst aufpassen.«
»Wie kann ich mich auf einen Typen verlassen, dessen Uhr tickt?«
»Man sieht auf den ersten Blick, dass er große Stücke auf dich hält.«
»Und das reicht?«
»Du willst ihn in seinen Kerker zurückverfrachten.«
»Stimmt genau – mit seiner Urne. Auf diese Art überlebt er.«
Grandma fingerte an ihrer Kaffeetasse herum. »Wenn du meinen Rat nicht willst, wieso bist du dann hier?«
»Ich
brauche
Hilfe. Ich brauche eine Schulter, an der ich mich ausheulen kann.«
Grandma merkte auf. »Was ist, außer dem Offensichtlichen, noch los?«
»Alles«, antwortete Ashe leise. »Wie gesagt, es ist eine Sache, im Alleinflug unterwegs zu sein, während es Vampire und Dämonen regnet.«
Grandma trank einen Schluck Kaffee und ließ sich Zeit. »Aber der Einsatz ist ungleich höher, wenn man seine Familie bei sich hat, stimmt’s?«
»Ich fühle mich fast wie gelähmt, verdammt! Ich kann es mir nicht leisten, einen Fehler zu machen. Das letzte Mal, als sich eine Monsterposse abspielte, musste ich Eden wegschicken.«
»Deshalb solltest du wie eine Jägerin denken, nicht wie eine Fußballmutter. Du musst in die Offensive gehen und zusehen, dass du bei diesem Spiel Vorsprung gewinnst. Schnapp sie dir, ehe sie Zeit haben, den nächsten Schritt zu tun!«
Ashe stellte ihren Kaffeebecher mit einem lauten Knall auf den Tisch. Es stürmten so viele Forderungen auf sie ein, dass sie gar nicht mehr klar denken konnte. »Aber das ist ja gerade das Problem! Ich kann nicht mehr jedem in den Arsch treten, der es nötig hat. Ja, ich hasse das! Im Grunde jage ich gern. Aber meine Lebensweise zu ändern, gibt mir die Möglichkeit, meine Tochter bei mir zu haben, und deshalb tut es mir nicht leid. Es gibt
nichts,
was ich nicht für sie tun würde.«
Grandma schob ihren Teller weg und zog die Mundwinkel nach unten. »Im Leben geht es nicht immer nur nach Entweder-oder. Deine Rolle in unserer Familie ist die eines Beschützers. Das heißt nicht, dass du nie eine Vorzeige-Mom sein darfst. Du kannst es eben im Moment nicht. Jetzt jagst du, später machst du den Thunfischauflauf. Tu beides! Sei flexibel! So halten es moderne Frauen nun mal.«
»Klingt reichlich vereinfacht.«
»Weil es ganz simpel ist! Wenn Fairview nicht sicher ist, ist Eden es auch nicht. Die Frage lautet nicht, ob du diesen Schlamassel aufklärst, sondern wann du loslegst. Welche Optionen hast du? Die bösen Vampire Amok laufen lassen? Dem Dämon einen Präsentkorb zum Einzug schicken? Die Liste der Leute, die mit solchen Dingern fertig werden, ist sehr kurz, und du stehst ganz oben. Falls du dich um eure Sicherheit sorgst, zieh vorübergehend mit Eden zu Holly. Ihr Haus ist eine magische Festung.«
Ashe nickte widerwillig. Sie hasste es, in dem Zuhause ihrer Kindheit zu schlafen. Dort gab es zu viele Erinnerungen. Aber wenn es richtig übel würde, könnte sie damit klarkommen. »Da ist immer noch die Sorgerechtssache. Die dürfen nicht mitkriegen, dass ich irgendwie in diese Vampir-Dämonen-Geschichte verwickelt bin.«
»Verstehe. Wir geben dir Deckung.«
»Wir?«
»Ich, Holly, Alessandro. Deine Familie. Wir denken uns etwas aus.«
Ashe schüttelte den Kopf, noch ehe Grandma ausgeredet hatte. »Eine derartige Belastung kann ich euch nicht zumuten.«
»Verdammt noch mal, Ashe, wenn du willst, dass die Dinge einfacher werden, musst du an dir arbeiten! Lerne endlich, Hilfe anzunehmen!«
Reynard war wütend.
Sie darf meine Hilfe nicht ablehnen. Das ist unvernünftig!
Zweifellos sah sie ein, dass er durchaus imstande war, ihr zu helfen. Zusammen hatten sie zwei Vampire getötet. Leider war Ashe Carver überhaupt nicht vernünftig. Sie bestand aus nichts als Wille und Stahl.
Dass sie ohne seine Hilfe besser dran wäre, war vollkommen ausgeschlossen, und ihr Widerstand befeuerte Reynards eigenen Willen – um ehrlich zu sein, auch seinen Stolz.
Sollte sie ihm ruhig sagen, er wäre nicht willkommen. Das bedeutete nicht, dass er
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