Seelenkuss / Roman
sich gegenseitig nach unten gezwungen hatten, nahm Reynard sie mit all der Zärtlichkeit, die sie nie zuvor gewollt hatte. Es war unglaublich, aber er gab ihr das Gefühl, sie zu verdienen. Obwohl dies seine einzige Chance auf eine leidenschaftliche Nacht hätte sein können, hatte er sich ganz ihr gewidmet.
Grob und zärtlich hatte er sie beide zum Orgasmus gebracht, sie beide verzückt. Das war besser als Vergessen. Diese herb-süße Kombination bildete, wie er es nannte, ihren Schlüssel. Er war der erste Liebhaber, der ihr geheimes Verlangen nach beidem entdeckte.
Roberto hatte es nicht. Was Ashe nicht wunderte, denn sie begriff diesen Drang in sich ja selbst kaum.
Ashe lauschte seinem regelmäßigen Atem. Er schlief immer wieder ein, war er doch genauso müde wie sie. Ohne zu urteilen, hatte Reynard ihr gegeben, worum sie ihn bat, und sie hatte nicht den Eindruck gehabt, es wäre ihm in irgendeiner Weise unangenehm gewesen. Auch er hatte sein Vergnügen gehabt. Reynard besaß reichlich Stärke; Kraft genug, um sie zu besiegen – und sie zu lieben.
Er verkörperte alles, was sie sich jemals an einem Liebhaber ersehnt hatte.
Sie drehte sich auf die Seite, so dass ihr Rücken an Reynards Bauch geschmiegt war. Sein Atem wehte über ihren Nacken, wärmte ihre Haut. Ein leises Schnarchen verriet ihr, dass er schlief. Bei diesem Geräusch musste sie lächeln. Es war irgendwie niedlich.
Es ist zu lange her.
Erstmals, seit Roberto gestorben war, konnte Ashe sich dem herrlichen Glücksempfinden nach dem Liebesakt hingeben und sich dabei vollständig, rein und gewürdigt fühlen. Der Liebe würdig.
Was nichts mit Verliebtsein zu tun hatte. Dies war etwas Weicheres, das erst eintrat, wenn sich alle Teile zum Ganzen gefügt hatten. Auf einer tiefen biologischen Ebene hatte Reynard sich das Recht verdient, mit ihr zusammen zu sein. Mehr noch: Er hatte sie eingenommen, jede Zelle von ihr, jeden Pulsschlag ihres Herzens.
Ashe empfand einen Anflug von Ehrfurcht, noch während ihr die Augen zufielen.
Langeweile stellte den größten Unterschied zwischen dem Gefangensein in der Burg und dem Gefangensein in einer Kerkerzelle der Burg dar. Miru-kai konnte nicht behaupten, er würde schlecht behandelt. Mac hatte die alten Zellen geschlossen, die nichts als Höhlen mit Gittertüren gewesen waren. Im Gegensatz zu ihnen war der Raum, in dem Miru-kai nun saß, zwar klein, aber sauber, und die Steinmauern hatte man weiß gekalkt, um es weniger düster zu machen. Es gab einen Sims, auf dem eine dünne Matratze und eine ordentlich zusammengefaltete dunkelblaue Decke lagen. Nicht angemessen für einen Prinzen, doch palastartig verglichen mit dem, was ihm hätte blühen können.
Dennoch blieb es eine Zelle. Das Eisengitter der Tür warf ein Streifenmuster auf den weißen Stein. Es hatte seinen Sinn, dass Mac bei den alten Gittertüren geblieben war, denn in einem Raum, der von kaltem Eisen abgeriegelt wurde, konnte keine Magie wirken. Außer dem Wächter, der hin und wieder vorbeikam und mit seinem Schlüsselring klimperte, sah Miru-kai niemanden. Und er hatte überhaupt nichts zu tun.
Langeweile bedeutete eine eigene Form von Folter. Miru-kai hatte bereits angefangen, auf die Schritte der Wachen zu lauschen, um die Zeit totzuschlagen. Er lag auf der Matratze, die Hände auf seinem Bauch gefaltet, und versuchte, sich zu entspannen. Er war den Trubel seines Lagers gewöhnt, wohingegen es hier schlicht zu ruhig war, als dass er hätte schlafen können. Auch das war Teil des ausgeklügelten Folterprogramms.
Miru-kai öffnete die Augen und starrte an die Steindecke. Er könnte die Steinblöcke zählen, aber ein bisschen Zerstreuung sollte er sich für später aufsparen. Also stieg er vom Bett und stellte sich an die Gittertür, wobei er sorgsam darauf achtete, das ätzende Eisen nicht zu berühren. Er konnte nach draußen sehen, nur gab es dort nichts als Steinkorridore: derselbe Ausblick wie von überall in der Burg.
Ich dürfte nicht hier sein. Keine der Feen sollte hier sein!
Das Feenvolk wusste, wie man die Erde von den menschengemachten Schäden heilte, aber die Menschen wussten, wie man ihr Ernteerträge entlockte. Einst hatten die beiden Arten Seite an Seite gearbeitet – oder zumindest hatte man es Miru-kai so erzählt. Das war vor seiner Zeit gewesen, bevor die Mehrheit seines Volkes sich nach Sommerland zurückzog, die Pforten hinter sich schloss und es ihren Brüdern überließ, sich allein durchzukämpfen.
Ich
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