Seelenkuss / Roman
übergroßes
Ghostbusters
-T-Shirt trug. Zwar war es besser als das Nichts, mit dem sie im Bett neben Reynard ausgestattet gewesen war, aber wieso konnte sie sich keinen schönen warmen Mantel herbeiträumen?
Ein Teil von ihr begriff, dass sie eigentlich nicht träumte, und ihr kroch ein Angstschauer über den Leib. Das Horrorklischee, das aus dem Grab erstand.
Ashe drehte sich um, versuchte, in alle Richtungen gleichzeitig zu sehen. Leider war es zu dunkel, und der Mond lugte immer nur weit genug hinter den Wolken hervor, um die Umrisse unmittelbar in ihrer Nähe auszumachen. Die Zedernkronen ergaben nichts als Flecken raschelnder Schwärze. Aber Ashe konnte den Namen erkennen, der auf dem Grabstein stand, auf dem sie aufgewacht war: Marian Carver.
Mom.
Ashe schlug sich eine Hand vor den Mund – eine schwache Geste, die sie hasste.
Sie hatte auf dem Grab ihrer Mutter gehockt – jener Mutter, die Ashe aus schierer Dummheit umgebracht hatte. Ihr Gleichgewicht schien ins Wanken zu geraten, sie bekam weiche Knie und fing trotz der Kälte zu schwitzen an. Falls dies hier irgendein Trip durch ihr tiefstes Unterbewusstsein sein sollte, schaffte er es echt, ihr eine Riesenangst einzujagen! Vielleicht war es die Strafe dafür, dass sie für einen Moment tatsächlich glücklich gewesen war.
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, atmete langsam ein und zwang sich, gerade zu stehen.
Reiß dich zusammen! Denk nach!
Nun wusste sie genau, wo sie war. Ihre Erinnerungen ergänzten jene Einzelheiten, die das unzureichende Licht verbarg. Sie befand sich nahe am Rand der Klippen, von denen man über das Meer sah, auf einer dreieckigen Fläche, auf der sich zwei Wege kreuzten. Ein Paar weißer Grabsteine war von Eiben und Ebereschen flankiert. Ihr Dad lag in dem nächsten Grab, ihr Großvater etwa fünfzehn Meter westlich.
Warum bin ich ausgerechnet hier?
Die Antwort hätte sie lieber schnell erhalten sollen, denn sie fror und war mehr als wütend.
Eine kalte Hand fiel auf ihre Schulter. Ashe fuhr herum, den Ellbogen zum Schlag vorausschwingend, und stolperte gegen – nichts. Dort war niemand.
Oh, Mist!
Für Geister war sie jetzt definitiv nicht in der Stimmung.
Dauernd jaulen die über irgendwas – wie zum Beispiel darüber, dass sie schon tot sind.
Ashe ließ ihre Wut wachsen, denn sie half ihr gegen das zunehmende Gefühl von Ohnmacht.
»Miss Carver«, sagte eine Stimme hinter ihr. Oder ertönten die leisen samtigen Worte nur in ihrem Kopf?
Offensichtlich konnte der oder das, was es war, nicht wie ein gewöhnlicher Straßenräuber niedergeschlagen werden. Ashe wandte sich wieder um, diesmal in normaler Geschwindigkeit. Nein, an der Gestalt, die dort stand, war gar nichts gewöhnlich. Innerlich würgte Ashe.
Gütige Hekate!
Sie war viel zu nahe, so dass sie zu ihr aufsehen musste, mindestens einsfünfundneunzig und gebaut wie ein Kämpfer – hart, breit und sehnig. Doch das erbärmliche Licht gab ihre Gesichtszüge nicht preis. Ashe öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, fand jedoch keine Worte. Es war, als würde man plötzlich Nase an Nase mit einem amerikanischen Grauwolf stehen. Da gab es keine passenden Worte, nicht einmal, wenn es sich fast nur um einen Traum handelte.
Elektrizität huschte ihr einem subtilen tödlichen Necken gleich über die Haut. Die wenigen Magiefetzen, die sie noch besaß, arbeiteten, identifizierten und berichteten ihr, was sie bereits vermutete:
Vampir.
Ein sehr, sehr mächtiger Blutsauger noch dazu. Und Ashe trug keine Waffe bei sich. Ihn mit einem Pantoffel plattmachen zu wollen war wohl eher nicht erfolgversprechend. Ashes Mund wurde trocken vor Anspannung. Wäre sie wach gewesen, hätte sie inzwischen schon gekämpft oder wäre zumindest weggelaufen. Stattdessen fühlte sie sich wie gelähmt.
»Du hast mich hergeholt«, brachte sie über die Lippen.
»Natürlich habe ich das.« Vampire konnten in die Träume anderer eindringen, allerdings handelte es sich dabei nicht um einen Anfängertrick. Einzig die mächtigsten beherrschten ihn.
Er hob eine Hand, und ein durchsichtiges weißes Licht erblühte darin, als hielte er einen Babystern. Ashe stockte der Atem vor entsetztem Staunen. Viele Vampire benutzten Hexerei, doch sie hatte noch nie erlebt, dass einer es mit solcher Mühelosigkeit tat.
Ihre Augen wanderten von seiner Hand zu seinem Gesicht. Die meisten Vampiraugen schimmerten golden oder silbern. Seine glitzerten wie Topas, als könnte Topas schmelzen und mit der
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