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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Blick zu sehen, streckte beschwichtigend die Hand nach dem DúnAnór aus. Und wurde unvermittelt gepackt und vorwärts und gegen den Felsen gerissen. Halb verblüfft, halb wütend fuhr er herum. Ungefähr dort, wo er eben selbst noch gestanden hatte, stand jetzt der DúnAnór, eine Hand über der linken Brust in das Hemd geballt, die Schultern wie vor Schmerz nach vorne gekrümmt. Die Finger der anderen umklammerten einen Dolchgriff so hart, dass die Knöchel weiß hervortraten. Norens Rechte zuckte zu seinem Gürtel. Nicht nur, dass der Kerl es geschafft hatte, ihn blitzschnell an sich vorbei und gegen den Felsen zu befördern, er hatte ihm in diesem Bruchteil eines Augenblicks auch noch die Waffe aus der Scheide gezogen. » Werft den Dolch weg! « Er sah die Bewegung seiner Männer nur aus dem Augenwinkel.
    » Nein! « Abermals schüttelte der DúnAnór den Kopf. Seine Finger öffneten und schlossen sich unruhig um den lederumwundenen Griff. In seinen Augenwinkeln und um den Mund zuckte es. Scharfe Linien erschienen auf seiner Stirn. Er hob die freie Hand zur Schläfe, krallte die Finger in seinen wirren Schopf. Wieder ein Kopfschütteln, sein Blick flackerte. » Nein! « Verzweiflung klang in dem Wort. Unsicher machte er einen Schritt rückwärts– beinah gleichzeitig traf Gerdens Faust ihn im Nacken und schickte ihn auf die Knie. Zwei weitere Männer packten zu, entwanden dem DúnAnór Norens Dolch und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Für einen kurzen Moment bäumte er sich in ihrem Griff auf. Dann durchrann ihn ein Zittern, etwas wie ein Schleier legte sich über seine Augen, und Noren konnte geradezu sehen, wie sein Blick leer wurde. Ein Schaudern kroch über seinen Rücken. Er gab seinen Männern ein Zeichen. Zögernd gehorchten sie und ließen den DúnAnór los, der daraufhin ein Stück weiter in sich zusammensank und die Arme um sich selbst legte. Er wich nicht zurück, als Noren vor ihn trat und sich niederhockte. Er reagierte nicht, als Noren ihn am Kinn ergriff, sein Gesicht anhob und ihm in die Augen blickte. Stumpf und unscharf huschten sie umher, ohne wirklich zu sehen. Er wehrte sich nicht, als Noren seine Hände zusammenband und ihn auf die Füße zog. Eine der wirren dunklen Strähnen war in die silberhellen Augen gefallen. Noren strich sie zurück und nickte seinen Männern zu. » Bringt ihn auf die Tänzeri n ! «

15
    D er Wind sang ein wildes Lied in den geblähten Segeln und straff gespannten Tauen der Takelage und ließ die Mondtänzerin über die See fliegen. Sonnenfische schossen neben ihrem Bug aus dem Wasser und verschwanden wieder in den Wellen. Kahel war nur noch ein Schatten am Horizont.
    Es war mühsam gewesen, die kleine Schonerbrigg gegen die auflaufende Flut aus der versteckten Bucht zu pullen, doch jetzt, mit achterlichem Wind und nichts als dem Meer vor dem Bug, machte das Schiff seinem Namen Ehre. Backbords zeichnete sich bereits die Küstenlinie der BanNasrag ab, zerklüftete, schwarze Klippen, an deren Fuß sich tückische Riffs verbargen, die weit ins Meer hineinragten. Gischt spritzte auf und überzog die Back mit Feuchtigkeit, als der Vordersteven der Tänzerin tief in die Wellen eintauchte, nur um sich sofort wieder daraus zu erheben. Mit leisem Knarren schwang der Gaffelbaum ein Stück zur Seite, so als sei die kleine Schonerbrigg selbst darum bemüht, möglichst viel Wind in ihren Segeln zu fangen, um noch schneller über das Wasser dahinfliegen zu können.
    Darejan versuchte es sich auf der Taurolle, die ihr als Sitz diente, ein wenig bequemer zu machen. Sie hätte es vorgezogen, am Bug zu stehen, die Hände fest um eines der Taue der Bugwanten geschlossen, und Salz und Sonne auf den Lippen zu schmecken, während der Wind ihr Haar zerzauste. Doch Noren hatte sie und den Verrückten in den Schatten der Treppe zum Vorschiff der Tänzerin bringen lassen und ihr befohlen, sich nicht von der Stelle zu rühren. Sie schaute kurz zu den beiden Männern hin, die an der gegenüberliegenden Reling saßen und Taue schlugen. Ihre Wachhunde. Der hünenhafte Gerden, den Noren offenbar zum Aufpasser des Schwachsinnigen gemacht hatte, nickte ihr zu, ehe er zu seinem Schützling sah. Sie folgte seinem Blick. Der Verrückte kauerte im Halbschatten, dort, wo die Wand des Vorschiffs gegen das Schanzkleid stieß, und malte sinnlos verschlungene Linien vor sich auf das feuchte Deck. Wieder und wieder. Nur um sie wieder und wieder mit ungeduldigen Bewegungen zu verwischen und die Fäuste

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