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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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du wenigstens, warum noch niemand eine Nacht hier mit gesundem Verstand überlebt hat? « Sie beugte sich erneut über den Verrückten, um ihm den Travankrautblättersaft auf die Wunde zu streichen. Unter ihrer Berührung schauderte er zusammen, hob in einer fahrigen Bewegung die Hände, als wolle er sich gegen sie wehren.
    Nakeen zuckte die Schultern. » Es soll hier einmal eine entsetzliche Schlacht stattgefunden haben, lange bevor es den Wald selbst gab. Man sagt, die Seelen der Krieger, die dabei den Tod gefunden haben, sind immer noch hier und machen Jagd auf jeden, der sich bei Nacht in ihrem Wald aufhält. Ob das wahr ist, kann ich nicht sagen. Alles, was ich weiß ist, dass niemand, der eine Nacht in diesem Wald überlebte, noch genug Verstand hatte, um anderen davon zu berichten, was ihm wirklich begegnet ist. « Er kauerte sich neben sie, umfasste locker die Handgelenke des Verrückten und drückte sie zu Boden– nur um verblüfft härter zupacken zu müssen, als der sich unvermittelt mit einem gurgelnden Schrei gegen seinen Griff wehrte. Doch als Nakeens Hände sich fester schlossen, wurde der Schrei zu einem fürchterlichen Heulen, die fahrige Gegenwehr zu einem wütenden Toben. Hatte er bis eben schwach und teilnahmslos unter der Decke gelegen, so kämpfte er nun mit geradezu übermenschlichen Kräften gegen Nakeen. Sein gellendes Heulen wurde zu einem schweren Keuchen, das sich mit dem überraschten Nakeens mischte. Ein heftiger Stoß beförderte Darejan ins Laub, ihre Finger schrammten schmerzhaft über Stein. Irgendwie bekam der Verrückte eine Hand frei, sein Hieb streifte Nakeen nur an der Kehle, genügte aber, ihn mit einem abgehackten, würgenden Laut hintübertaumeln zu lassen. Für einen kurzen Moment schien er zu verblüfft, um mehr zu tun, als den anderen anzustarren, während er zugleich würgend nach Luft rang. Keinen Lidschlag später war der Verrückte auch schon über ihm, legte ihm die Hände um den Hals und drückte zu, wobei er verworrenes Zeug hervorstieß, aus dem nur ein einziges Wort verständlich war, das er beständig wiederholte: » Nein! «
    Zu Darejans Entsetzen schien Nakeen nichts gegen den Verrückten ausrichten zu können. Seine Rechte tastete hektisch durch das Laub, während er mit der Linken an seinen Fingern zerrte, in dem Versuch sie zu lockern. Verzweifelt versuchte er sich herumzuwerfen, krallte nach den Augen des Verrückten. Der riss den Kopf zurück, drückte weiter zu und fletschte knurrend wie ein Tier die Zähne. Dieser grauenvolle, unmenschliche Laut weckte Darejan aus ihrer Erstarrung. Ihr Blick zuckte auf der Suche nach einer Waffe umher, blieb an einem etwa faustgroßen Stein hängen. Sie packte ihn, kam auf die Füße. Nur zwei Schritt trennten sie von den Männern. Doch als sie den Stein hob, zögerte sie. Seloran! Was, wenn sie dem Verrückten unbeabsichtigt den Schädel einschlug? Als habe er sie neben sich gespürt, fuhr sein Kopf herum. Für nicht mehr als einen Wimpernschlag begegnete sie seinem silbernen Blick und begriff, dass sie zu lange gezögert hatte. Mit gefährlicher Schnelligkeit war er auf den Beinen. Seine Hände schlangen sich in der gleichen mörderischen Absicht um ihre Kehle, wie sie es bei Nakeen getan hatten. Darejan schlug zu. Für den Bruchteil eines Atemzugs starrte er sie an. Dann löste sein Griff sich, seine Augen wurden trüb und er brach zusammen. Der Körper eines Mannes reglos am Boden. Gestalten, die sich über ihn beugten. Ihn grob herumzerrten. Der Schrei eines Adlers in der Dunkelheit. Mondlicht, das kunstvolle Linien aus Edelsteinen blitzen ließ. Ein dumpfes Stöhnen. Stimmen, die einen fremdartigen Dialekt sprachen. Hartes Gelächter. Der Stein polterte aus Darejans Hand. Ihr Kopf pochte. Sie wich zurück. Neben ihr taumelte Nakeen noch immer keuchend auf die Beine, eine Hand an der misshandelten Kehle. Er sagte etwas, doch die Worte erreichten Darejan nicht. Erst als er sie bei den Schultern packte und schüttelte, irrte ihr Blick zu ihm.
    » Wolltest du ihn umbringen? « , herrschte er sie an.
    Zorn vertrieb den letzten Rest Benommenheit aus ihrem Geist. » Er hätte dich beinah umgebracht!– Glaubst du mir jetzt, dass er verrückt und gefährlich ist? Wir müssen ihn fesseln, damit so etwas nicht noch einmal geschieht « , brachte sie nach einem weiteren Moment endlich hervor. Mit schmalen Augen musterte er sie, sah dann auf den Verrückten hinab.
    » Heißt das, er hat schon mal jemanden angegriffen?

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