Seelenkuss
«
Darejan nickte, während Nakeen sich neben ihn kniete und ihn auf die Seite drehte. » Einmal. Als er auf das Schiff gebracht werden sollte, mit dem wir aus Kahel geflohen sind. Ohne Grund ist er auf Noren, einen der Männer, die ihn aus dem Kerker befreit haben, losgegangen, als der ihm die Hände fesseln wollte… « Der Umstand, dass Nakeen abrupt den Kopf hob und sie in einer Mischung aus Schrecken und Begreifen ansah, ließ sie innehalten. » Was ist? «
» Verdammt, Korun, muss ich es dir tatsächlich erklären? Du hast doch gerade selbst gesagt, dass er erst einmal jemanden ohne Grund angegriffen hat: als man ihn fesseln wollte. Und eben wurde er auch erst dann wild, als ich versucht habe, seine Hände niederzuhalten. « Er blickte erneut auf den Verrückten hinab, schüttelte den Kopf. Darejan glaubte ihn etwas wie » Armer Kerl! « murmeln zu hören, ehe er sie wieder ansah. » Denk doch nach, Korun! Man hat ihn in Ketten gelegt und gefoltert. Und wenn sein Geist tatsächlich verwirrt ist, obendrein noch das Fieber, die Wunde… Er hat uns vielleicht mit diesen Grauen Kriegern verwechselt und dachte, wir wollten ihm wieder Fesseln anlegen und ihn wieder foltern. Deshalb hat er sich gegen uns gewehrt… «
Zweifelnd schaute sie an Nakeen vorbei zu dem Verrückten. Bisher hatte sie nie danach gefragt, warum er etwas tat. Sein Geist war wirr. Mehr gab es nicht zu wissen. Und doch… könnte Nakeen recht haben. Auch als sie den Eiter aus der Wunde gedrückt und ihm Schmerzen bereitet hatte, waren seine Hände in die Höhe gekommen, als wolle er nach ihr schlagen, doch stattdessen hatte er die Finger in den Boden gekrallt. Sie beobachtete, wie Nakeen sich über den Verrückten beugte und durch dessen Haar tastete, um herauszufinden, welchen Schaden sie mit dem Stein angerichtet hatte. Schließlich stieß er gepresst den Atem aus und sah wieder zu ihr auf. » Wahrscheinlich ist es am besten, wenn wir es ihm einfach nur bequem machen und abwarten, bis er zu sich kommt.– So wie du zugeschlagen hast, könnte das ein bisschen dauern. Er hat jetzt schon eine Beule, so groß wie ein Steinsängerei. Zumindest blutet er nicht und der Knochen ist scheinbar auch heil geblieben. Aber der Schnitt über der Brust muss versorgt werden. Er glüht immer noch vor Fieber. «
Darejan warf einen Blick zu der Stelle, an der sie zuvor die Schale mit dem Travankrautblättersaft und den Becher abgestellt hatte, und verzog den Mund. Beides war umgestoßen. Der Blauflechtentee war im Laub versickert, nur auf dem Holz der Schale glänzte noch ein wenig des ausgelassenen Saftes. Rasch stellte Darejan sie in die Waagerechte, um zumindest den verbliebenen Rest zu retten. Dann half sie Nakeen, dem Verrückten in der Nähe des Feuers aus Blättern und Decke ein Lager herzurichten und ihn darauf zu betten. Während der Jarhaal einen Tuchfetzen in der Quelle anfeuchtete, mit dem er die Folgen von Darejans Hieb ein wenig zu mildern hoffte, strich sie behutsam auf die Wunde, was von dem Travankrautblättersaft übrig geblieben war. Unter ihren Händen hob und senkte sich die fieberheiße Brust in schwachen, stöhnenden Atemzügen, doch ansonsten lag der Verrückte vollkommen reglos. Er rührte sich noch nicht einmal dann, als Nakeen seinen Kopf anhob und das nasse Tuch auf die geschwollene Stelle legte. Einen Moment betrachtete er seine bleichen Züge, dann stand er brüsk auf und ging zum Feuer hinüber. Darejan folgte ihm, setzte sich ihm gegenüber und beobachtete, wie er in dem sanft vor sich hin blubbernden Kesselinhalt rührte, von dem inzwischen ein verlockender Duft aufstieg. Sie sah auf, als die CayAdesh-Rösser langsam herankamen. Nijaa trat hinter Nakeen, ohne ihre goldenen Augen von Darejan zu wenden, und blies ihm sanft gegen den Nacken, während Zaree sich mit unruhig spielenden Ohren dem Verrückten näherte, der reglos unter den Decken lag. Der Hengst schnupperte wachsam an ihm, schnaubte dann und schaute in Nakeens Richtung. Ein paar Atemzüge lang erwiderte der den Blick des CayAdesh schweigend, wobei er die Stute gedankenverloren unter ihrer Federmähne kraulte. Erst als Zaree einige Male den Kopf schüttelte und auch Nijaa wie zur Antwort ein leises Wiehern hören ließ, wurde Darejan klar, was da vor sich ging.
» Du kannst tatsächlich mit ihnen reden? « , wagte sie zu fragen, als Nakeen schließlich wieder zu ihr sah.
Als Antwort verzog er nur abfällig den Mund.
» Was… was haben sie gesagt? «
Seine Finger
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