Seelenkuss
Adreshaal oder ihre Geshreen binnen zwei, manchmal auch nur einen Tages « , beantwortete er dann ihre Frage. Unter seiner Decke regte der Verrückte sich mit einem leisen Ächzen, nurum gleich darauf wieder stillzuliegen. Nakeen sah zu ihm hinüber. » Nur von den DúnAnór sagt man, dass sie den Schmerz des Verlustes ein wenig länger ertragen, wenn sie noch eine Pflicht für den Orden zu erfüllen haben. Erst dann steigen sie in die GônTheyraan « , murmelte er mit einem leisen Seufzen.
» Du weißt von den DúnAnór? « Verblüfft blickte Darejan ihn an.
Die Edelsteintätowierungen über seiner Braue blitzten, als er sich ihr wieder zuwandte. » Natürlich. Früher, in der Hohen Zeit der DúnAnór, entstammten viele Krieger des Ordens meinem Volk. Es war eine Ehre, zur Klinge erwählt zu werden, auch wenn es bedeutete, dass man seine Geshreen und die Bergsteppen verlassen musste. «
» Dann weißt du auch, wo ihre Ordensburg liegt? « Sie hielt den Atem an, während sie auf seine Antwort wartete.
Er schwieg mehrere Momente, in denen er sie unergründlich musterte. » Warum willst du das wissen? « , fragte er schließlich.
Darejan gab seinen Blick zurück. War das alles vielleicht nur eine List, mit der er sie in Sicherheit wiegen wollte, um das Halsgeld, das Seloran auf sie ausgesetzt hatte, allein einstreichen zu können?– Aber wenn er ihnen tatsächlich helfen wollte? Sie blickte zu dem Verrückten hinüber. Seine Hände scharrten im Fieberschlaf unruhig durch die Blätterschicht des Bodens, lagen für einen schweren Atemzug still, bewegten sich weiter, als würden sie etwas suchen. Allein würde es ihr niemals gelingen, ihn zu der Ordensburg der DúnAnór zu schaffen. Sie brauchte Nakeens Hilfe.
» Ich will ihn nach Hause bringen « , erklärte sie und schaute ihn wieder an.
In dem Blick, mit dem er ihren erwiderte, stand Verwirrung. » Du willst ihn nach Hause bringen, weißt aber nicht, wo das ist? « Er strich sich mit dem Handrücken eine Haarsträhne aus der Stirn. » Vielleicht wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, mir die ganze Geschichte zu erzählen, Korun « , meinte er kopfschüttelnd und begann die geputzten Drajomwurzeln in den Topf zu schnippeln, aus dem heiße Dampfschwaden emportanzten.
Das Misstrauen war mit einem Schlag zurück. » Und wer sagt mir, dass du kein falsches Spiel mit uns treibst, Jarhaa l ? Immerhin warst du bei diesen Kerlen, die uns an… an Königin Seloran verkaufen wollten. «
Ärgerlich zog er die Brauen zusammen. » Allein kommst du nicht weit, Korun. Du brauchst meine Hilfe! « Es schien, als hätte er zuvor ihre Gedanken gelesen. Mit einem herrischen Wink forderte er die geschälten Lassrenknollen von ihr, schnitt sie in Stücke und warf sie zu den Drajomwurzeln ins brodelnde Wasser. Ein Streifen Rauchfleisch folgte ihnen. Alles wurde mit dem hölzernen Schöpflöffel umgerührt, dann wischte Nakeen seinen Dolch an einigen Blättern sauber und blickte sie auffordernd an.
Anstelle einer Antwort presste Darejan störrisch die Lippen zusammen. Über das Feuer hinweg starrten sie einander an.
» In Ordnung, Korun « , brach Nakeen schließlich das Schweigen. » Vertrauen gegen Vertrauen.– Ich erzähle dir alles, damit du siehst, dass du mir vertrauen kannst.– Vor etwas mehr als zwei Dutzend Mondläufen stahlen irgendwelche Bastarde drei CayAdesh, die meiner Obhut anvertraut waren, von einer der Bergweiden. Deshalb wurde ich von meiner Geshreen ausgestoßen. Aber nach dem Gesetz meines Volkes hätte ich zurückkehren dürfen, wenn ich sie gefunden und nach Hause gebracht hätte. Bis vor fünf Mondläufen habe ich sie gesucht. « Mit beiden Händen fuhr er sich durchs Haar. » Ich habe sogar die Kerle aufgespürt, die sie gestohlen hatten– nur um erfahren zu müssen, dass Niraal, Gijraa und Asree sich so sehr gewehrt hatten, dass diese Schweine sie getötet haben. « Seine Stimme wurde bitter. » Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, Korun, aber von seiner Geshreen getrennt zu sein und die Bergsteppen niemals wiedersehen zu dürfen, ist für einen aus meinem Volk schlimmer als der Tod. « Er versetzte einem Ast einen Tritt, sodass er tiefer ins Feuer rutschte. » Eine ganze Zeit habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, mich zu bewähren, damit ich wieder in Gnaden zurückkehren dürfte. Es gab keine. Als Erstes verlor ich die Hoffnung, dann meinen Stolz. Wenn jemand mir Arbeit gab, habe ich sogar für einen Hungerlohn geschuftet. Wenn nicht, habe
Weitere Kostenlose Bücher