Seelenkuss
verborgen… Etwas, das stärker war… Ein Kichern stieg seine Kehle empor und erstickte den Funken. Etwas, das die Leere in seiner Seele und seinem Geist ausgefüllt hatte. Das seinen sterbenden Körper mit neuem, unheiligen Leben erfüllt hatte. Das den Schmerz und den Verlust unbedeutend werden ließ. Das Kichern steigerte sich zu schrillem Gelächter. Er war damals zurückgekommen und hatte Rache genommen. Und obwohl sie seine Seele in den KonAmàr gebannt hatten, war er ihrem unzulänglichen Gefängnis entkommen. Jetzt war er der, den sie alle fürchteten. Bald würde er der Letzte sein, der die alten Geheimnisse kannte. Und der Letzte der DúnAnór!
Sein Gelächter wurde zu einem Keuchen. Und auch die kleine Hexenprinzessin würde ihren Zweck erfüllen. Doch zuerst galt es heute Nacht die Macht des Seelenmonds zu nutzen, ehe er seinen Zenit überschritten hatte.
Er schlurfte an den Hecken entlang, tiefer in den Siebengarten hinein. Der Duft der Mondlinden lag in der Nachtluft. Leyraan hatte den Geruch der violetten Blütendolden geliebt.
Hinter einem steinernen Bogen, der sich über einem Durchgang zwischen den Hecken spannte, öffnete sich der geharkte Pfad zu einem annähernd runden Platz, auf dessen hellem Kiesgrund ein neunzackiger Stern aus rotem Jernitkristall im Licht des Seelenmonds glitzerte. An seinen Spitzen brannten Feuer, deren fahlblaue Flammen ohne einen Laut Kräuter und Holz verzehrten. Ein schwerer, bitterer Geruch hatte den Duft der Mondlilien verdrängt.
Außerhalb des Sterns warteten drei seiner BôrNadár und ein halbes Dutzend seiner niederen Sklaven. Zwei Männer lagen gefesselt am Boden. Den einen hatten ein paar seiner Söldner vor vier Tagen nach Kahel zurückgebracht. Der andere… Er biss die Zähne zusammen. Hauptmann Réfen hatte erstaunlicherweise seinen BôrNadár getrotzt. Doch er hatte letztendlich von dem Schmuggler erfahren, was er hatte erfahren wollen. Jetzt kannte er die Namen jener, die es gewagt hatten, dabei zu helfen, den DúnAnór aus Kahel fortzuschaffen. Jeder einzelne von ihnen würde es bereuen. Er zwang den Körper der Korunkönigin, sich ein wenig weiter aufzurichten, und näherte sich den beiden Gefangenen.
Der Hauptmann starrte ihm mit hasserfülltem Blick entgegen, doch seine gepressten Atemzüge verrieten seine Angst. Es entging ihm nicht, dass die graubraunen Augen immer wieder zu einem seiner niederen Sklaven zuckten. Vor den Männern blieb er stehen. Er lächelte auf den Hauptmann der Garde hinunter. » Wie ich sehe, erkennt ihr ihn. Er war einer eurer Männer, nicht wahr? Naria war sein Name, wenn ich mich recht erinnere. Oh, verzeiht, wie dumm von mir zu vergessen, dass ihr ja schon seit einiger Zeit im Kerker seid. Ihr wisst ja gar nicht, dass er irgendwann einfach verschwunden ist. So wie die meisten eurer Leute. « Ein wenig schwerfällig kniete er neben dem Krieger nieder. » Euer Freund– wie war sein Name doch gleich? Ach ja, Noren– wird sein Schicksal als einer meiner Sklaven teilen. « Er beugte sich näher zu dem Krieger heran. So nah, dass die Lippen der Königin beinah seine berührten. » Für euch habe ich etwas anderes vorgesehen. Erinnert ihr euch? Ich habe euch versprochen, dass ich eine ganz besondere Verwendung für euch habe, sollte ich den DúnAnór tatsächlich nicht bis heute Nacht zurückbekommen. « Er richtete sich ein klein wenig auf. » Ich hoffe, ihr werdet euch der Ehre bewusst sein, die euch zuteilwerden wird. « Mit der Hilfe eines seiner Diener zwang er den Körper Königin Selorans endgültig wieder auf die Beine. » Geduldet euch nur noch eine kleine Weile. « Er gönnte dem Hauptmann ein letztes, höhnisches Grinsen, ehe er sich abwandte und gemessen ins Innere des Sterns trat.
Im Zentrum der neun Zacken wand der Schmuggler sich schwach in seinen Fesseln. Gemächlich ging er an ihm vorbei und nahm seinen Platz ein, wie es das Ritual verlangte. Dann hob er langsam die Hände dem Seelenmond entgegen und begann die alten Gesänge zu skandieren, die die Seele eines Menschen aus seinem Körper trieben. Kälte verdrängte die Wärme der Nacht. Der Mann zuckte, bäumte sich auf. Seine Schreie gellten in den Himmel, wandelten sich zu einem Kreischen. Wind riss an den Gewändern der BôrNadár. An den Spitzen der neun Zacken färbten sich die Flammen von einem Lidschlag auf den anderen schwarz. Das Kreischen endete jäh, der Körper lag still. Der Wind erstarb zu einem Flüstern. Er sang weiter, rief die Seele, die
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